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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Dr. Dr. Markus Jacobs


Der Anschlag auf Touristen in Ägypten hat Tote hinterlassen, Trauer bleibt zurück. Aber ein Anschlag wie dieser hat wesentlich größere Verwundungen zur Folge. Gerade für das Empfinden der Menschen in Deutschland ist dieses Geschehen äußerst zerstörend.
Denn die Menschen dieses Landes sind die reisefreudigsten der Welt. Aus dem Urlaub brachten Deutsche schon immer eine Fülle von positiven Erfahrungen mit Menschen aus den verschiedensten Ländern unserer Welt mit. Im Urlaub haben sie Zeit, sie können die Schönheiten anderer Gebiete und Kulturen wirklich entdecken. Wie viele haben dadurch in einem Urlaubsland wie der Türkei, Ägypten oder Tunesien so etwas wie eine zweite Heimat gewonnen und die Bevölkerung dort schätzen und lieben gelernt.
Es ist zu vermuten, dass genau diese Urlaubserfahrungen in den entlegensten Winkeln unserer Welt die im internationalen Vergleich große Offenheit unserer Bevölkerung gegenüber neuen Mitbürgern aus anderen Herkunftsländern sehr gefördert haben. Wenn nun wieder in einem Land wie Ägypten genau solche Besucher durch völlig willkürliche Aggression zu Tode kommen, ist die Wirkung zu ahnen: Wir werden unsicher hinsichtlich unserer vertrauensvollen Grundhaltung. Angst steigt hoch - sowohl im Blick auf solche fernen Urlaubsziele wie auch im Hinblick auf die Menschen, die aus diesen Ländern inzwischen unter uns leben.
Diese Empfindungen haben zunächst erst einmal gar nichts mit Religion zu tun. Die Opfer solcher Anschläge werden in unseren Augen nicht als christliche Opfer, sondern einfach als menschliche Opfer betrachtet.
Und doch hinterlässt die Tatsache, dass nun schon wiederholt gezielt Urlaubsorte Ziel solcher Anschläge waren, eine eigentümlichen Beigeschmack. Denn es sollen ja offensichtlich Menschen aus anderen Ländern getroffen werden oder eben die, welche mit den Touristen zusammen arbeiten.
Wenn das aber stimmt, können wir als Bürger dieses Landes - und dann besonders auch als Christen - unsere Mitbürger aus arabischen Ländern nur fast anflehen: âBitte meldet Euch in Euren eigenen Heimatländern endlich lauter zu Wort! Denn wenn Ihr diese Morde und Anschläge nicht gutheißt und sie aus Eurem Verständnis des Korans heraus sogar verurteilt, dann lasst die Abscheu über solche Taten bitte auch Eure Landsleute in der ursprünglichen Heimat wissen.Õ
Denn die Vermutung liegt doch nahe, dass sich dort bei manchen Gruppen ein völliges Verrennen in religiösen Extremismus breit gemacht hat, der auch nur von innen wieder aufgebrochen werden kann. Nur wenn Muslime anderen Muslimen das in wahnwitziger Weise erklärte Recht auf Morden absprechen, wird dies Erfolg haben können. Die Stimmen des angeblich christlichen Westens werden doch sonst als Stimmen des vermeintlichen Gegners betrachtet.
Als Bürger dieses Landes - und natürlich auch als Christ - möchte ich deshalb noch einmal bitten: âWidersprecht lautstark Euren fanatisierten Schwestern und Brüdern in der Heimat. Sagt hier wie dort, dass Ihr selbst Euch als gläubige Muslime verletzt fühlt, sollte jemand für solche Anschläge eure religiösen Überzeugungen in Anspruch nehmen. Sagt klar und deutlich, dass Gott dies nicht will. Sprecht solche Dinge aus - natürlich mit Euren eigenen Worten und Gedanken, aber mit der gleichen Ernsthaftigkeit, mit der an anderer Stelle von Predigern offenbar das Gegenteil verkündet wird. Ihr müsst es sagen, auf andere Stimmen werden sie nicht hören! Es geht um unsere Zukunft, um ein gemeinsames Leben ohne Todesangst an jedem Ort der Welt.
Und wenn Ihr mit den Gläubigen guten Willens in unserem Land zum gemeinsamen Gebet vor Gott Euch versammeln möchtet, um unseren Schöpfer um ein Ende allen unseligen Hasses zu bitten, dann werden die christlichen Gemeinden sehr offen für dieses Anliegen sein.Õ

Artikel vom 06.05.2006