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Kotten wird ein Schmuckstück

Folge acht der »Lenzinghauser Geschichte(n)«: das älteste Haus des Stadtteils

Von Julia Lüttmann
Lenzinghausen (SN). 950 Jahre wird Lenzinghausen in diesem Jahr alt. Die Dorfgemeinschaft veranstaltet anlässlich des Jubiläums zehn Festtage, die Redaktion der SPENGER NACHRICHTEN blickt zurück auf Geschichte und Geschichten aus 950 Jahren Lenzinghausen. Im achten Teil der Serie geht es um das älteste Haus des Stadtteils, das Haus Affhüpperstraße 11.

Das Haus wurde 1689 als Altenteilerhaus, die so genannte Leibzucht, des Hofes Lenzinghausen Nr. 11 (Koring) errichtete. Der Originaltorbalken mit der Inschrift »ANNO 1689 DEN 7. APRIL HAT WILM CORDING UND SEINE EH HAUSZ FRAUW MARGRETA LISABET SEWINCK ZU HEMINCK HOLTE HABEN DISZ HAUS BAUWEN LASEN DURCH M. EGGERT CORDING« erinnert noch heute an die Erbauer. In den folgenden drei Jahrhunderten erlebte es eine wechselhafte Geschichte: Das Gebäude bot zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwei Kötterfamilien Unterkunft. Damals wurde es beidseitig verbreitert, ein Stall und Toilettenbauten angebaut. Bis 1937 bewohnten die Kötterfamilien Lechtermann und Wiemann das Gebäude, danach diente es als Aufzuchtstall für Hühner.
Während des Zweiten Weltkrieges wurden in dem Kotten, der damals von einem zwei Meter hohen Zaun umgeben war, zehn bis zwölf französische Kriegsgefangene untergebracht. »Sie arbeiteten auf den umliegenden Höfen«, weiß Ralf Sieker, dem das Haus Affhüpperstraße 11 bis in die 1990er Jahre hinein gehörte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Gebäude noch bis Ende der 60er Jahre bewohnt: Im Winter 1946/1947 zog der Tischlermeister Holzkötter ein, dessen Haus nach einem Brandschaden wieder aufgebaut werden musste, danach lebte die Melkerin Niehaus in dem Kotten.
In den folgenden Jahrzehnten verfiel das Fachwerkhaus zusehends, konnte nur noch als Lagerraum genutzt werden. »Die Wiederherrichtung scheiterte in den 1970er Jahren daran, dass der Kotten nach damaliger Einschätzung der Baubehörden das Bild der Kulturlandschaft nicht mehr prägte und auch sein Gestaltwert nicht mehr erhaltenswert erschien«, erklärt Sieker. Diese Haltung änderte sich erst Ende der 1990er Jahre: Die Fachbehörden stuften das Gebäude als »unverzichtbar« ein. Dass sie damit Recht hatten, verdeutlicht Jürgen König: Ende der 1997 Jahre kaufte er das Gebäude, das er zuvor als Pferdestall gemietet hatte. In liebevoller Kleinarbeit begann er im Jahr 2001, das Fachwerkhaus wieder aufzubauen: »Von links nach rechts«, schmunzelt er. Er riss zunächst den alten Anbau ab, erneuerte Giebel, Fachwerk und das Dach, in einem neuen Gebäudeteil wurden sanitäre Anlagen untergebracht. So entstand im Kotten eine Wohnung mit modernstem Komfort. Priorität hatte dabei für Jürgen König, alles so originalgetreu wie möglich zu belassen, alte Materialen wieder zu verwenden: 3000 alte Mauersteine nutzte er für seinen Anbau erneut. Die großen Arbeiten seien jetzt abgeschlossen, sagt der 66-Jährige zufrieden. »Jetzt kommen nur noch die Feinheiten.« So hat er erst kürzlich einen alten Weg entdeckt und möchte im Sommer dem Brunnen auf den Grund gehen. Denn nachdem König im vergangenen Jahr in den Ruhestand ging, ist Lenzinghausens ältestes Haus seine Vollzeitbeschäftigung. Und eines kann er mit Sicherheit sagen: »Für die nächsten 100 Jahre ist alles fit.«

Artikel vom 06.05.2006