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Steinbrück: Sozialstaat überfordert

Höhere Mehrwertsteuer verteidigt

Berlin (dpa/Reuters). Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hält den deutschen Sozialstaat in seiner heutigen Form nicht mehr für zukunftsfähig.Peer Steinbrück: Es gibt eine Pflicht zur Arbeit.

»Wenn wir alles so lassen, wie es ist, fährt der Sozialstaat in zehn Jahren gegen die Wand«, sagte der Finanzminister dem Magazin »Der Spiegel«. Deshalb müsse das Sozialsystem »neu justiert werden«.
Dabei gehe es zum Beispiel bei Langzeitarbeitslosen und Hartz-IV-Empfängern nicht um Leistungskürzungen, »sondern darum, das Prinzip ÝFördern und FordernÜ stärker zu betonen«. Man müsse den Menschen deutlich machen: »Ihr habt einen Anspruch auf Solidarleistungen, wenn ihr in einer schwierigen Lage seid, aber wir dürfen euch auch etwas abverlangen, nämlich auch die eigenen Kräfte einzusetzen, um da wieder rauszukommen.« Auf die Frage »Gibt es eine Pflicht zur Arbeit?«, sagte Steinbrück: »Ja, ich gehöre zu denjenigen, die sagen: Wenn jemand ein-, zwei- oder möglicherweise dreimal einen angebotenen Job verweigert, dann muss das Folgen haben.«
Steinbrück wies im gleichen Atemzug Forderungen zurück, angesichts steigender Steuereinnahmen im laufenden Jahr von der geplanten dreiprozentigen Mehrwertsteuererhöhung abzurücken.
Trotz der unerwarteten Mehreinnahmen des Staates in Milliardenhöhe will auch die Union nicht darauf verzichten, die Mehrwertsteuer anzuheben. Neben Steinbrück bezeichneten die Regierungschefs von Hessen und Niedersachsen, Roland Koch und Christian Wulff, den Drei-Punkte-Aufschlag bei der wichtigsten Steuer auf den Verbrauch als unvermeidlich.
Steinbrücks Ministerium hatte zuvor die Annahmen über die erwarteten Einnahmen für 2006 nochmals nach oben geschraubt. In der Unterlage für die Steuerschätzung rechnen die Experten mit einem Plus von 6,5 Milliarden Euro. Das Gros der Zuwächse sei bereits in seinen Etatplanungen berücksichtigt, sagte Steinbrück.
Im Vergleich zu den bisherigen Annahmen der Steuerschätzer erwartet das Ministerium bis 2009 68,4 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen. Ein großer Teil davon stammt aus den von Schwarz-Rot geplanten Steuererhöhungen, die 2007 in Kraft treten sollen. So sorgen höhere Mehrwert- und Versicherungssteuer und weitere Schritte nach den Berechnungen dafür, dass der Staat 2007 mit 493,6 etwa 30 Milliarden Euro mehr einnimmt als 2006.
SPD-Fraktionschef Peter Struck will zur Finanzierung kostenloser Kindergartenplätze das Ehegattensplitting auf den Prüfstand stellen. »Das ist für die Union möglicherweise ein Problem«, sagte er. »Wir haben immer gefordert, das Splitting aufzuheben.«

Artikel vom 08.05.2006