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Spieler gegen Krämer - Barka macht's

Studtrucker beurlaubt - Chaotischer Freitag vor Spvg. Steinhagens »Endspiel« in Herford

Von Gunnar Feicht
Steinhagen (WB). Es geht nur um die Landesliga, die sechsthöchste Klasse in der Leistungs-Pyramide des Deutschen Fußball-Bundes. Aber das aktuelle Theater hinter den Kulissen der Spvg. Steinhagen stellt so manche Bundesliga-Posse in den Schatten.

Freitag Vormittag verkündete Fußball-Obmann Erhard Wichmann die Beurlaubung von Trainer Stefan Studtrucker, das Gespann Michael Johanning/Jochen Krämer sollte den Tabellen-13. vor dem Abstieg retten. Elf Stunden später war alles ganz anders: Nurettin Barka trägt - unterstützt von Johanning - Sonntag beim Abstiegsendspiel in Herford die Verantwortung.
Auslöser für die erneute Beschleunigung des Personalkarussels: Als der Mannschaft gestern Abend der geplante Wechsel am Regiepult mitgeteilt wurde, lehnten etliche Spieler die Zusammenarbeit mit »Sachse« Krämer ab - da gab es offenbar noch Ressentiments aus dessen Amtszeit als Studtrucker-Vorgänger bis zum Frühjahr 2004. Krämer und Fußball-Obmann Erhard Wichmann verließen wutentbrannt die Sitzung. Der Druck, dass einige Leistungsträger in Herford und in den weiteren »Entscheidungsspielen« gegen Bustedt und in Jöllenbeck nicht alles geben würden, war groß. Da mögen auch die Worte eine Rolle gespielt haben, die Stefan Studtrucker zuvor gefunden hatte, als er sich von der Mannschaft »verabschiedete«.
Der Vorstand war gezwungen, eine Alternativlösung aus dem Hut zu zaubern - und fand sie in Nurettin Barka, dem Coach der zweiten Mannschaft. Das Spvg.-Eigengewächs war eigentlich als erster Kandidat für die Amtsübernahme nach Saisonende ins Auge gefasst. Jetzt wird er bereits ins kalte Wasser geworfen. »Ich bin Steinhagener und will dem Verein weiterhelfen. Männer wie Reiner Wiechert und Erhard Wichmann und ihre Einsatzbereitschaft für die Sportvereinigung sind Vorbilder für mich«, sagt Barka, der auch bereit ist, in der kommenden Saison die Verantwortung zu tragen.
In den ersten zehn Tagen wird Barka von Michael Johanning unterstützt, der dann einen längst geplanten Urlaub antritt. Ein Kaltstart in die drei wichtigsten Wochen der Saison, um den Barka nicht zu beneiden ist - schlechter kann's allerdings nicht mehr werden: »Ich habe nichts zu verlieren. Gemeinsam mit Michael Johanning werde ich alles versuchen. Mein Vorteil ist, dass ich einen guten Motivationszugang zu den Spielern habe«, sagt der frühere Spvg.-Angreifer, der von der Mannschaft offenbar akzeptiert wird. »Wir brauchen jetzt eine Portion Glück, viel Überzeugungskraft, die richtige Taktik - und müssen fest zusammen halten.«
Auch Michael Johanning, stellvertretender Fußball-Obmann und mittlerweile Allzweckwaffe, wird sich voll in den Dienst der Sache stellen. Obwohl ihm die nervenaufreibende Wendung und das Verhalten einiger Spieler mächtig an die Nieren gegangen sind: »Ich bin total enttäuscht, dass bei manchem so wenig Bereitschaft vorhanden ist, sich in den Dienst der Sache zu stellen und statt dessen alte persönliche Differenzen wieder aufgewärmt werden.«
Nach der Landesliga-Talfahrt mit nur zwei Punkten seit der Winterpause hatte die 4:6-Pokalblamage in Werther den Ausschlag für Studtruckers Beurlaubung gegeben: »Wenn man sich so präsentiert, ist das mehr als erschreckend«, erläuterte Obmann Wichmann die Entscheidung, die er nach Absprache mit Johanning getroffen hat. »Studtruckers Anweisungen sind bei der Mannschaft offenbar nicht mehr angekommen, sie hat sie nicht mehr umgesetzt«, so Wichmanns Eindruck.
Nach der Talfahrt des ehemaligen Tabellendritten in der Landesliga hatte Studtrucker bereits seit geraumer Zeit in der Kritik gestanden. Vor zwei Wochen hatte ihm Wichmann »Sachse« Krämer und Michael Johanning, den ehemaligen Coach der »Zweiten«, als »Berater« an die Seite gestellt - nicht mit dem gewünschten Erfolg.
Studtrucker empfindet seine Beurlaubung als »große Enttäuschung«: »Ich bin immer noch davon überzeugt, dass ich mit der Mannschaft den Klassenerhalt geschafft hätte.« Der Ex-Armine, der im Frühjahr 2004 Jochen Krämer als Spvg.-Coach abgelöst hatte, kreidet sich auch selbst Fehler an: »Ich hätte dem Heimrechttausch für das Nachholspiel gegen Spexard nicht zustimmen dürfen. Nach dieser Niederlage und dem 1:2 im darauf folgenden Spiel gegen Bünde hätte ich früher eingreifen müssen.« Allerdings sieht er den rasanten Abwärtstrend auch als Folge der Entscheidung des Vorstands, frühzeitig die Reduzierung des Etats für die kommende Saison bekannt zu geben: »Das hatte ebenfalls Einfluss auf die Entwicklung.« Lange stellte sich Studtrucker vor die Mannschaft, Donnerstag sah er sich von einigen Kickern wieder einmal enttäuscht: »Wenn man als Mannschaft, die in der Luft eigentlich Vorteile hat, vier Kopfballtore nach Standardsituationen kriegt, ist das einfach Einstellungssache.« »Studti« hatte gehofft, dass sich einige Akteure noch einmal aufdrängen wollten, glaubte deshalb Stützen wie Taner, Bas und Evcimen für Herford schonen zu können. Sein letzter Irrtum als Trainer der Spvg.-Kicker.
Wie die Elf Sonntag beim mitgefährdeten SC Herford (einen Punkt weniger als Steinhagen) die Wende in Richtung Erfolgskurs schaffen soll, das steht in den Sternen. Michael Johanning wollte an das Ehrgefühl der Akteure im Abstiegskampf appellieren. Ob das ausreicht, muss nach den Ereignissen vom Freitag bezweifelt werden. Zumal der Gegner erst Dienstag mit dem ersten Sieg seit Monaten neues Selbstvertrauen getankt hat.

Artikel vom 06.05.2006