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Jürgen Blume: »Alte Liebe rostet nicht«

Bielefelder Apotheker ersteigerte bei Ebay im Internet 40 Jahre altes Göricke-Mokick

Von Gerhard Hülsegge
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Sie ist nicht mehr ganz so jung, sieht aber immer noch blendend aus. In ihrer Nähe werden Erinnerungen an die Jugend wach. Grund genug für Jürgen Blume, sich seine alte »Freundin« wieder zu besorgen: das Göricke-Mokick, Baujahr 1966, mit Dreigang-Fußschaltung und 2,6 Pferdestärken aus Bielefelder Produktion.

»Ich hänge an alten Dingen«, sagt der 55-jährige Altstadt-Apotheker und blickt verträumt auf das chromblitzende Zweirad, 40 bis 45 Stundenkilometer schnell, also bestens »drauf«, wie man heute sagt. Mit 16 Jahren hat Jürgen Blume den damaligen Führerschein Klasse 5 gemacht, die ihn zum Führen des begehrten Mokicks berechtigte. Dass er das gedrosselte Moped günstig bekam, verdankte er einem Zufall.
Wie neun seiner Mitschüler aus der Obertertia drehte der Pennäler eine Ehrenrunde am Ratsgymnasium. Und kam neben Erich-Walter Nippel - inzwischen Dr. der Zahnmedizin - zu sitzen. Dessen Familie war Inhaberin der bekannten Göricke Werke (1903-1973), Hersteller von Fahr- und Motorrädern sowie Automobilen. Das Firmengelände an der Paulusstraße gibt es zwar nicht mehr. Jürgen Blume nahm sein Mokick indes noch persönlich aus der Hand von Göricke-Chef Karl-Eduard Nippel in Empfang. Für 670 D-Mark.
Zwei Jahre fuhr er mit dem »Heiligtum« aus Blech, Chrom und Stahl zur Schule, zur Tanzstunde und ins »Gretna Green«, wo Bands wie die Remo Four aus dem TV-»Beat-Club« mit Uschi Nerke nach ihrem Auftritt weitere Konzerte gaben. Selbst im Winter, auch wenn die Finger so eingefroren waren, dass er sie nur gekrümmt seitlich vom Lenkrad abziehen und zehn Minuten lang nicht mehr bewegen konnte. Nach 22000 Kilometern verkaufte Blume sein Gefährt an einem Klassenkameraden - und erwarb einen alten Käfer für 400 Mark.
»38 Jahre habe ich nichts mehr von meinem Mokick gehört«, erzählt der Bielefelder. Dann stieß er im Internet auf seine »alte Liebe«. Angeboten wurde dort zwar nicht seine eigene frühere Maschine, aber immerhin dasselbe Modell. Für 400 Euro holte er es von Limburg an der Lahn zurück an die Sparrenburg, ließ den Veteranen mit Zweitakt-Motor gründlich überholen und plant jetzt sogar Ausflüge mit dem »Pättkenschnüwer« bis an den Doktorsee. »Bei Auslieferungsfahrten für die Apotheke habe ich nun das schnellste Transportmittel der Stadt«, schwärmt Blume von seiner neuesten Errungenschaft.
Dabei, den Oldtimer, der nur kurze Zeit gebaut wurde und von dem es nur noch wenige Exemplare gibt, handliniert und mit Regencape-Fach unter der grauen Sitzbank wieder originalgetreu »aufzupolieren«, half neben einem 72-jährigen Moped-Experten in Detailfragen Rüdiger Uffmann vom Historischen Museum. »Dorthin kommt mein Mokick auch, wenn ich meinen Führerschein abgebe«, meinte Blume. Bis dahin wird aber erst noch kräftig Gas gegeben.

Artikel vom 05.05.2006