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Sieg der Mechanismen der Macht

Kevin Spacey eröffnet die Ruhrfestspiele mit Shakespeare-Stück

Als »Richard II.« gefeiert: Kevin Spacey.Foto: dpa

Von Ulrich Fischer
Recklinghausen (dpa). Hollywood-Glanz bei den Ruhrfestspielen: Mit begeistertem Beifall hat das Publikum am Mittwochabend William Shakespeares »Richard II.« mit Oscarpreisträger Kevin Spacey in der Titelrolle gefeiert. Die Produktion des Londoner Old Vic Theatre war eingeladen worden, um das künstlerische Programm der 60. Spielzeit des traditionsreichen Festivals zu eröffnen. Das Publikum honorierte die gewagte Einladung auch mit Ansturm auf die Eintrittskarten.
Eigentlich spielt Shakespeares Königsdrama, das Ende des 16. Jahrhunderts uraufgeführt wurde, im Jahr 1399. Doch in der Inszenierung von Trevor Nunn trägt Kevin Spacey als Richard II. wie des Königs Hofstaat und seine Untertanen Anzug und Schlips, Kleidung von heute.
Richard II. verliert in dem Stück seine Macht. Bolingbroke, Usurpator und späterer König Heinrich IV., reißt die Krone an sich. Trevor Nunn legt in seiner Inszenierung nicht, wie üblich, den Schwerpunkt auf ein Porträt, er arbeitet die Mechanismen der Macht heraus. Und wiewohl sich in 600 Jahren viel gewandelt hat, erinnern viele dieser Mechanismen an die Gegenwart.
Kevin Spacey zeigt, wie Richard unter dem Machtverlust leidet, allerdings spielt er nie selbstmitleidig, auch nicht in der Schlüsselszene, als Richard die Krone Bolingbroke in einer demütigenden öffentlichen Zeremonie übergeben muss. Greg Wise gibt Richards Gegenspieler ebenso viel Gewicht wie Kevin Spacey dem König. Shakespeare hat offenbar kein Stück für einen Star geschrieben, der alle anderen an die Wand spielt. Die Inszenierung spielt auch dezent auf den Premierminister Tony Blair und seinen Rivalen in der Labourparty an.
Mit Bolingbroke siegt der machtbewusste über den empfindsamen Mann. Das auf höchstem Niveau agierende Ensemble spielt auf Englisch, deutsche Übertitel werden projiziert, wodurch Aufmerksamkeit von der sehenswerten Inszenierung abgezogen wird.

Artikel vom 05.05.2006