05.05.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Stallpflicht wird gelockert

Ausnahmeregelungen sollen Zuchtbetriebe vor dem Ruin bewahren

Von Reinhard Brockmann
Berlin (WB). Am 16. Mai öffnen sich die Stalltore wieder für die meisten Hühner und Gänse in Deutschland. Heimische Züchter halten die gestern vorgelegten großzügigen Ausnahmen von der Stallpflicht für noch nicht ausreichend.

Grundsätzlich gilt wegen der Vogelgrippe in Deutschland die Stallpflicht weiter. »Das Risiko der Verbreitung ist nach wie vor hoch«, sagte gestern Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU). Täglich kämen neue Funde infizierter Wildtiere hinzu.
Dennoch kam der Minister mehr 5000 in Berlin protestierenden Geflügelzüchtern, 500 davon aus Ostwestfalen, entgegen. Eine mit den Ländern noch abzustimmende Verordnung erlaubt die Freilandhaltung außerhalb von Vogelschutzgebieten und Räumen mit extrem hoher Tierhaltung. Ausnahmen von der Stallpflicht gelten für Betriebe,- die nicht in unmittelbarer Nähe von Feuchtbiotopen, Seen, Flüssen liegen, an denen wilde Wasservögel rasten oder brüten; - in einem Gebiet mit höchstens zehn Geflügelhaltungen oder 4000 Stück Geflügel im Umkreis von 1000 Metern. - 3000 Meter Umkreis gelten für Geflügelhöfe in Kontroll- oder Beobachtungszonen.
Die zwei wichtigsten Eckdaten - zehn Höfe, bzw. 4000 Tiere im Umkreis - befinden sich nach Informationen dieser Zeitung noch in der Diskussion. Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen können bis zum Wochenende möglicherwiese noch eine Erhöhung zugunsten der ums Überleben kämpfenden Betriebe im Delbrücker und Oldenburger Land erreichen. Endgültige Klarheit soll Mitte nächster Woche bestehen.
Die Lage wird monatlich neu bewertet. Die Verordnung gilt für Hühner, Truthühner, Perlhühner, Rebhühner, Fasane, Laufvögel, Wachteln sowie Enten und Gänse. Die zwei Letztgenannten müssen in besonders gefährdeten Gebieten räumlich getrennt von sonstigem Geflügel gehalten werden.
Bei einer Kundgebung in Berlin und bei einem anschließenden Gespräch im Ministerium bezeichnete der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Gütersloh, Arnold Wessling, Seehofers Ausnahmekatalog als unzureichend. »Damit können wir nicht leben«, sagte er dieser Zeitung. »Wir brauchen flexiblere Lösungen angesichts der hohen Dichte von Betrieben und angeblichen Risikofaktoren wie Feuchtgebieten in der Region«.
Die Geflügelzüchter beklagen schon jetzt Einbußen von sechs Millionen Euro. Die zahlenmäßig größten Verluste gebe es bei den Hennenhaltern, teilte der Bauernverband mit. Obwohl Gänse nur einen Bruchteil des Federviehs in Deutschland ausmachen, sei der Verlust mit einer Million Euro relativ hoch.
Lautstark waren zuvor Züchter und Halter vom Brandenburger Tor zu Seehofers Ministerium gezogen. In einer Resolution an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Seehofer forderten sie finanzielle Entschädigungen. Sie verlangten den Rücktritt des Ministers und warfen ihm vor, die Geflügelhaltung in kleineren Betrieben zu zerstören. Seehofer kündigte ein nationales Programm an, sofern die EU dies zulasse.
Seite 4: Kommentar

Artikel vom 05.05.2006