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Die Kombilohntüte füllen Betriebe und öffentliche Hand, sparen Sozialtransfers und schaffen Arbeit

Brandner: Kombilohn gibt es schon

Dennoch bleiben Erfolge nach dem legendären US-Vorbild bis heute aus

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Das »Jobwunder« zu Zeiten von US-Präsident Bill Clinton ist bis heute heimliches Vorbild, wenn in Deutschland über Kombilöhne nachgedacht wird.

Elf Millionen neue Arbeitsplätze und quasi Vollbeschäftigung erlebten die USA Mitte der 1990er Jahre, während hierzulande die Ratlosigkeit groß war. Lange wurden seinerzeit die US-Erfolge als »McDonald-Jobs« für Ungelernte verunglimpft - bis umfangreiche Studien auch Europa überzeugten, dass die Bezuschussung von Minilöhnen aus der Staatskasse - zur ganz eigennützigen Einsparung von Sozialhilfe - Breitenwirkung zeigte. Die Mehrzahl der neuen Arbeitsstellen war letztlich besser bezahlt, viele davon in der Computer- und Biotechnologie.
Auch die Niederlande, Schweden, Irland und selbst Italien machten Deutschland inzwischen vor, wie es geht. Hierzulande folgte stattdessen eine ganze Reihe von halbherzigen Versuchen, keiner davon mit durchschlagendem Erfolg.
»Wir haben bereits eine Vielzahl von arbeitsmarkpolitischen Instrumenten die im Grunde ein Kombilohn sind«, sagt heute Klaus Brandner, arbeits- und sozialpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Zugleich geht er auf Distanz zu Vorstellungen des Wirtschaftsflügels seiner Partei und der CDU/CSU, den Kombilohn auf Geringqualifizierte jünger als 25 und älter als 50 Jahre zuzuschneiden.
Diesen Vorschlägen fehle eine weitere Differenzierung. Nicht jeder Geringqualifizierte unter 25 Jahren brauche einen Kombilohn und nicht jeder Ältere, meint der Gewerkschafter und Abgeordnete aus dem Kreis Gütersloh. Vorhandene Förderinstrumente zu optimieren und keine flächendeckenden Lohnsubventionen einzuführen, hält Brandner für besser.
Es fehlt nach seiner Auffassung auch nicht an der Bereitschaft, niedrig bezahlte Arbeitsplätze anzunehmen, sondern schlicht an Arbeitsplätzen. Deutschlands Niedriglohnsektor sei längst größer als in den meisten EU-Ländern. Diesen Bereich noch durch staatliche Förderung zu erweitern, sei nicht sinnvoll. Menschen, die aus gesundheitlichen oder persönlichen Gründen nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten, müssten anders gestützt werden.
Eine andere Variante verfolgt der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Er will noch dieses Jahr statt des Lohnes die Sozialbeiträge unbefristet subventionieren. Gefördert werden sollen Jugendliche unter 25 und ältere Arbeitslose in Pflege-, Haushalts- oder Hausmeisterjobs. Langfristig könnten damit bis zu 10 000 Angebote entstehen, heißt es aus seinem Ministerium.
NRW drückt offenbar aufs Tempo und schafft Fakten in einer endlosen Debatte. Dazu gehören so überraschende Einsichten wie die, dass 300 000 Vollzeitarbeiter unter ALG-II-Niveau schuften.
Auch NRW will vermeiden, dass das inzwischen soundsovielte Sondermodell nicht andere Jobs im Niedriglohnbereich verdrängt. Unschädlich wäre es, wenn das Laumann-Modell dazu führe, die nur zur Hälfte ausgefüllten 33 000 Zivildienststellen in NRW wieder zu besetzen.
Das Mainzer Modell, die älteste Kombilohn-Variante in Deutschland hat jedenfalls bislang kaum zu mehr Stellen geführt. Die Praktiker in den Firmen halten es für zu kompliziert. Der NRW-Weg mit Zuschüsse in Form von Sozialbeiträgen ist insofern tatsächlich anders, außer in einem Fall: Wer ältere Arbeitslose einstellt, muss auch heute schon keinen Beitrag mehr zur Arbeitslosenversicherung zahlen. Schluss der Serie

Artikel vom 06.05.2006