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Bayer ist Bester der Rückrunde

Nach sechs Siegen in Serie strebt Leverkusen auf Europas Ball-Bühne

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Leverkusen (WB). Soviel ist auf die Tabelle geschaut worden nach dem 32. Bundesliga-Spieltag, dass ihr Torrekord gar nicht richtig registriert wurde. 40 Treffer an einem Spieltag - Saisonbestmarke. Mit einem Fünferpack in Berlin beteiligte sich auch Bayer Leverkusen am allgemeinen Schützenfest.

Mit insgesamt 60 Einschüssen wird die Mannschaft von Michael Skibbe nun schon an Position drei notiert. Nur Werder Bremen (71) und Bayern München (63) schlugen noch häufiger zu. Soviel Angriffswirbel tat dem Werksverein besonders gut, fand die Aufregung in dieser Spielzeit meistens nicht vor dem gegnerischen Kasten, sondern in den eigenen Reihen statt.
Die Calmund-Affäre um Veruntreuung, die Manipulationsverdächtigungen gegen den Ex-Manager, der freiwillige Steuernachschlag nach dubiosen Südamerika-Aktionen - negative Schlagzeilen schrieb der leidgeprüfte Klub wie kein zweiter. Das ist nun anders geworden und Bayer bisher Rückrunden-Primus. Zuletzt buchten Skibbes Spieler stolze sechs Siege am Stück. Da muss sich sogar das Spitzenquartett Bayern München, Hamburger SV, Werder Bremen und Schalke 04 hinten an stellen. Zur Belohnung winkt Platz fünf und die Qualifikation für den UEFA-Cup. »Das dürfen wir uns nicht mehr nehmen lassen«, fordert der Trainer.
Geschickt hatte er die Unruhe im Umfeld dazu genutzt, auf dem Platz endlich wieder eine Einheit herzustellen. Erfolge wegen der Klubkrise - nicht trotz all der Skandale, die Leverkusen umgaben. »Genau in dieser Zeit konnte die Mannschaft ihre Festigkeit entwickeln«, erklärte Skibbe im Fachblatt Kicker, »sie ist im Schatten der Vorkommnisse gewachsen.« Damit schärfte auch Skibbe sein Profil. Denn viele hatten ihm nicht zugetraut, das in der Tabelle weit abgerutschte Bayer Leverkusen wieder auf Europas Bühne zurückzuführen.
Er war ja nur der Trainer, der es nach Auffassung seiner Kritiker in der Bundesliga bei Borussia Dortmund nicht gebracht hatte, später an der Seite von Teamchef Rudi Völler mit der DFB-Auswahl zwar Vizeweltmeister 2002 wurde, jedoch anschließend den Verfall der deutschen Nationalmannschaft auch nicht aufhalten konnte.
Im vergangenen Herbst setzte Völler, inzwischen Sportdirektor in Leverkusen, den Ex-Bundestrainer dann überraschend auf die Bayer-Bank. Der Anfang war holprig, die Punkte kamen nur zögerlich. Noch beim 0:1 in Bielefeld Anfang März hinterließ Bayer den Einruck, überhaupt keinen Bock zu haben. Das war noch mal ein herber Rückschlag. Mittlerweile hilft bei Bedarf sogar das Glück. In Berlin hätten die sorglosen und nicht sonderlich sortierten Gäste statt 5:1 zu gewinnen auch 3:7 verlieren können.
Verlassen dürfen sich der Trainer und seine Truppe mehr denn je auf ihren Torjäger. Alle wissen, dass Dimitar Berbatow ein Stürmer ist, der an Glanztagen der Güteklasse A angehört. Mit 18 Treffern und zehn Assists ist der Bulgare Zweiter der Scorerliste hinter dem Bremer Miroslav Klose. Zum Vergleich: Berbatow erzielte doppelt so viele Tore wie die gesamte Mannschaft von Arminia Bielefeld in der Rückrunde.
Da wird auch schon mal von anderen Vereinen an der Leverkusener Tür gehorcht. Es heißt, dass die Schmerzgrenze des deutschen Tabellenfünften bei 15,7 Millionen Euro liegt. Aber im Augenblick interessiert Leverkusen nur, die erstaunliche Erfolgsserie fortzusetzen. Noch zuhause gegen den 1. FC Nürnberg und zum Abschluss bei Hannover 96: da sollte doch mindestens der eine Punkt herausspringen, der noch fehlt. Dies wäre dann das Happy End nach einer äußerst schwierigen Saison.
Klar sind sie schon besseres gewohnt gewesen. Unvergesslich bleibt jenes Jahr, als die Deutsche Meisterschaft zum Greifen nah war, der Triumph in der Champions League gegen Real Madrid im Bereich des Möglichen und auch der DFB-Pokal bereit lag. Es wurde nichts daraus, und seither ist vieles mehr zum Weinen als zum Lachen gewesen bei Bayer 04. Doch nun hat es den Anschein, als könnten die Aspririn endlich mal wieder beiseite gelegt werden.

Artikel vom 06.05.2006