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Häftlinge werden zu
echten »Holzwürmern«

In der JVA Brackwede II entsteht eine Theaterbühne

Von Sven Kienscherf
und Peter Monke (Foto)
Ummeln (WB). In der Holzwerkstatt der Justizvollzugsanstalt Brackwede II (JVA) rauchen die Köpfe. Wolfgang Langenstroer, Rainer Potteck und Kai Büchner sind in ihrem Element. Gemeinsam bauen sie die Bühne für eine Theateraufführung der Bodelschwingh-Schule - und stecken gerade mitten in den Abschlussarbeiten.

In der Werkstatt entsteht das knapp vier Meter breite Holzgerüst. »Ich bin froh über den Freiraum, den ich hier habe, und über die Möglichkeit, kreativ sein zu können«, sagt Rainer Potteck. Der gelernte Holzmechaniker verbüßt zurzeit eine Haftstrafe in der JVA. Zusammen mit einem Mithäftling und dem Werkstattleiter Wolfgang Langenstroer arbeitet er an der halbrunden Bühne, auf der an drei Terminen Passagen aus Ottfried Preußlers Roman »Krabat« aufgeführt werden. In Zusammenarbeit mit der Theaterwerkstatt Bethel spielen und singen Schüler der Jahrgangsstufen sechs bis acht der Bodelschwingh-Schule das Stück um Liebe, Freundschaft und das Ringen um Freiheit.
»Der Vorschlag, die Bühne in der JVA bauen zu lassen, stammt von der Mutter einer Schülerin«, erzählt Regisseurin Kai Büchner. Wolfgang Langenstroer war sofort begeistert von der Idee. Seit 1978 ist er als Justizvollzugsbeamter in Ummeln im Dienst, seit neun Jahren leitet er die Holzwerkstatt. Eine gute Arbeitsatmosphäre sei ihm sehr wichtig, sagt er. Und fügt hinzu: »Es geht um positive Motivation - und nicht darum, Druck auszuüben.«
Neben den zwei festen Mitarbeitern, zu denen Potteck zählt, sind in der Werkstatt noch weitere Häftlinge beschäftigt, die dort eine Arbeitstherapie absolvieren. Die Männer sollen Schritt für Schritt auf einen Berufsalltag nach der Haft vorbereitet werden. »Einige von ihnen haben nie eine langfristige Anstellung gehabt«, erzählt Langenstroer. In der therapeutischen Maßnahme geht es zunächst darum, den Männern eine Tagesstruktur an die Hand zu geben.
Zu Beginn stehen einfache Tätigkeiten auf dem Programm, wie das Zusammenbauen von Möbelteilen für die IKEA-Filiale in Brackwede. Später folgt die Anfertigung von Vogelhäusern oder Holzpuppen, die auf dem Brackweder Weihnachtsmarkt verkauft werden. Auch Mobiliar für Kindergärten und andere gemeinnützige Einrichtungen werden in der Werkstatt entworfen und gebaut. Bei entsprechender Eigenmotivation kann für die Insassen am Ende der Maßnahme eine reguläre Beschäftigung in einem Betrieb außerhalb der JVA stehen, in welche die Häftlinge dann nach der Arbeit zurückkehren.
Eine qualifizierende Ausbildung ist in der Werkstatt zwar nicht möglich, allerdings versucht Langenstroer die Häftlinge bei Bewerbungen nach der Entlassung zu unterstützen. »Natürlich ist es schwierig für jemanden, der vorbestraft ist, eine Anstellung zu finden.« Aber es gebe durchaus Beispiele, wo dies gelungen sei. Regisseurin Kai Büchner jedenfalls ist zufrieden mit der Bühne und kann sich eine weitere Zusammenarbeit vorstellen. Zumal die Chemie zwischen ihr und den Bühnenbauern stimmt. Den Beweis liefert sie gern: »Nach dem gemeinsamen Stress der Entwicklungsphase sind Wolfgang und ich mittlerweile per du.«

Artikel vom 16.05.2006