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Ein Känguru kauft schöne Schuhe
Witzige Gedankenakrobatik - Comedian Bernhard Hoëcker nutzt skurrile Eselsbrücken, um sich Fakten zu merken
Wissen Sie, wann Maria Stuart geboren wurde? Wenn nicht, könnten Sie entweder ein Lexikon bemühen oder Bernhard Hoëcker fragen - der weiß es, bestimmt! Er spitzt den Mund, rollt nachdenklich seine großen Augen, um dann plötzlich ganz überzeugt zu sagen: »1542«. Beeindruckend. Schnell nachgeschaut - stimmt! Der Mann hat offenbar seine Hausaufgaben gemacht. Aber wie um alles in der Welt merkt man sich so etwas?
Bernhard Hoëcker schmunzelt, nimmt einen Schluck aus der Wasserflasche und verrät sein Geheimrezept für grenzenloses Gedächtnis: »Eselsbrücken bauen und geschickt miteinander verknüpfen.«
Das macht neugierig. Welche Konstruktion hat er sich denn für die schottische Königin ausgedacht? »Ich stelle mir ein Känguru ohne Kopf vor, das in einem Schuhsalon steht und ein Paar Schuhe anprobiert«, sagt Hoëcker. Aha! Das klingt witzig, aber was, bitteschön, hat das kauflustige Beuteltier mit der Monarchin zu tun?
Der Gedankenakrobat lässt sich nicht lange bitten und klärt auf: Jedem Jahrhundert habe er einen bestimmten Ort zugeordnet. Das Schuhgeschäft erinnert ihn demnach an 1500. Wegen der »fünf Zehen«, die man für gewöhnlich an den Füßen findet, für die wiederum die Schuhe benötigt werden. Das Känguru hat vier Beine, steht aber nur auf den beiden hinteren, braucht also lediglich ein Paar Schuhe. So merkt er sich die vier und die zwei, also 42. Und weil Maria Stuart geköpft wurde, hat das edle Tier halt keinen Kopf.
Man ahnt vage, was im Hirn dieses nur 1,59 Meter großen Mannes sonst noch so alles herumspuken könnte. Fliegende Kühe und tanzende Bären sind da möglicherweise noch die harmlosen Varianten des Gedankenspiels.
Ähnliche Kostproben seiner Kreativität gibt er jeden Freitag in Hugo Egon Balders Sat1-Show »Genial daneben« (20.15 Uhr). In dem preisgekrönten Comedy-Format stellt sich Hoëcker neben vier anderen Comedians den kuriosen Fragen der Zuschauer und hat vor allem eines: jede Menge Spaß. Denn oberstes Gebot ist, mit viel Witz und Charme der jeweils richtigen Antwort möglichst nahe zu kommen. Dass er dabei trotz seines umfangreichen Faktenwissens meist »genial daneben« liegt, stört den Kleinsten in der munteren Runde wenig. Was gibt es schließlich Schöneres, als vor Publikum (mehr oder weniger geistreich) zu fabulieren?
Dieser Leidenschaft durfte der begeisterte Puzzle-Spieler kürzlich auch bei ProSieben frönen: In »Hoëckers buntem Märchenallerlei« gab er sein umfangreiches Märchen-Fachwissen zum Besten.
Sein Faible für Fakten und Statistisches kann er in der neuen Sat1-Show »Was denkt Deutschland?« ausleben, die am 19. Mai um 22.15 Uhr erstmals ausgestrahlt wird. Das Format aus England basiert laut Sender auf »aktuellen Umfragen und verblüffenden Statistiken«, die zeigen sollen, was die Nation so bewegt.
»Als ich das Konzept gelesen habe und die erste Prozentzahl sah, wusste ich, dass das die richtige Sendung für mich ist«, erinnert sich Hoëcker, der diesmal als klassischer Gastgeber fungiert und durch die Spielrunden leitet. Zwei prominente Dreier-Teams treten in drei Runden gegeneinander an und müssen einschätzen, was die befragten Deutschen in den jeweiligen Umfragen gesagt haben.
Es geht um so wichtige Fakten wie: Was stört Sie an Ihrem Kollegen am meisten? Wieviel Speichel produziert Otto-Normal-Bürger pro Tag? Welches ist die beliebteste Autofarbe der deutschen Single-Frauen? Oder was ist der häufigste Grund, warum Männer eine Frau nicht küssen wollen? Bernhard Hoëcker ist begeistert und sofort in seinem Element. »Einerseits finde ich interessant, was bei solchen Umfragen herauskommt und andererseits, was die Gäste im Studio darüber denken«, meint der Moderator, der sich freut, die Seiten vor der Kamera einmal wieder wechseln zu können und keinen Text auswendig lernen zu müssen.
Am besten ist er ohnehin, wenn er spontan sein darf. Das zeigt Hoëcker in »Genial daneben« genauso wie neben Cordula Stratmann & Co. in der Improvisations-Comedy »Schillerstraße«, wo er vor kurzem zum Besitzer einer heruntergekommenen Eck-Kneipe avancierte.
Über einen Mangel an Beschäftigung kann sich Bernhard Hoëcker also nicht beklagen. Wenn er keine Verpflichtungen beim Fernsehen zu erfüllen hat, steht er mit seinem zweiten Solo-Programm »Ich hab's gleich!« auf irgendeiner Bühne des Landes und bietet seinem Live-Publikum »eine erfrischende Fahrt durch die akribisch sezierte Gedankentektonik seiner Mitmenschen«.
Bei so vielen Projekten steht das Wort Freizeit zwangsläufig als Termin in seinem Kalender. Bislang hat ihn das aber nicht gestört, denn er gehört ja zu den glücklichen Menschen, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben.
Ursprünglich wollte sich der gebürtige Pfälzer in eine ganz andere Richtung bewegen: Er hat Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn studiert. »Ich hätte gern was mit Logistik gemacht oder etwas Mathematisches - für die Forschung war ich allerdings zu faul«, erinnert sich der technisch interessierte Comedian, der mit 13 Jahren auf seinem ersten Computer das Programmieren lernte.
Bereits während des Studiums sammelte er aber erste Comedy-Erfahrungen auf der Bühne als Mitglied der »Comedy Crocodiles«. Mit der Satiresendung »Switch« (ProSieben) und dem wiederkehrenden Ausdruck »Hoëcker, Sie sind raus!« kam schließlich seine Fernsehkarriere ins Rollen und damit das Studium zum Erliegen.
Dem Running Gag aus »Switch« ist es auch zu verdanken, dass viele Menschen inzwischen wissen, wie man Hoëcker richtig ausspricht. »Das Trema über dem ÝeÜ, ein griechisches Lautzeichen, besagt, dass die Buchstabenkombination ÝoÜ und ÝeÜ getrennt auszusprechen ist und nicht als ÝöÜ - so ähnlich wie bei Citroën«, erklärt der Namensträger. Trotzdem gebe es immer mal wieder Menschen, die ihn »Höcker« nennen.
Er nimmt's genauso gelassen wie die ständigen Anspielungen auf seine Größe: »Die ist inzwischen zu meinem Markenzeichen geworden«, meint Hoëcker, der aus der Not eine Tugend gemacht und den Slogan »Comedy vom Kleinsten« für sich erfunden hat.
»Natürlich wäre ich manchmal gern größer«, gesteht er. »Aber relevant wird es eigentlich nur beim Basketballspielen und bei den Frauen. Ansonsten ist es viel einfacher, klein zu sein - man friert nicht so schnell, weil man eine geringere Oberfläche hat, bekommt keine Knochenprobleme und muss sich kaum bücken.«
Seine Ambitionen, Basketball zu spielen, halten sich ohnehin in Grenzen, und das Thema Frauen hat sich im Grunde auch erledigt. »Ich bin ein glücklich verheirateter Familienvater«, sagt der Süddeutsche stolz. Mehr ist ihm nicht zu entlocken, denn wenn es ums Privatleben geht, wird er zum knallharten Auskunftsverweigerer.
Beim allgegenwärtigen Thema Fußball-Weltmeisterschaft ist er redseliger. Ein extremer Fan sei er zwar nicht, aber einen Tipp könne er schon abgeben: »Nach statistischer Höchstwahrscheinlichkeit wird Brasilien Weltmeister«, prophezeit Hoëcker. Da er schon bei der EM mit Griechenland richtig lag, muss man seine »Berechnung« in diesem Fall wohl ernst nehmen.
Kerstin Heyde

Artikel vom 13.05.2006