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ALG II: Verstärkte Kontrollen

Leistungskürzungen drohen, wenn eine Arbeit abgelehnt wird

Berlin (Reuters). Die Bundesregierung will durch verstärkte Kontrollen bei Beziehern von Arbeitslosengeld II (ALG II) eine Milliardensumme einsparen, um den Kostenanstieg zu bremsen.
Dadurch will der Bund jährlich 1,2 Milliarden Euro einsparen. Neuzugänge zum Arbeitslosengeld II sollen ein Sofortangebot für eine Stelle erhalten, um ihre Arbeitsbereitschaft zu testen. Gleichzeitig werden die Leistungskürzungen verschärft, wenn Arbeitslose eine Arbeit ablehnen.
Das zunächst als »Optimierungsgesetz« angekündigte Vorhaben bringt die bislang umfangreichsten Korrekturen der Hartz-IV-Reform, mit der 2005 Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II zusammengelegt worden waren. Ende April gab es etwa 5,2 Millionen Bezieher von Arbeitslosengeld II. Die 356 Jobcenter von Kommunen und Arbeitsagenturen sollen Außen- und Prüfdienste einrichten und je 200 Missbrauchsfälle aufdecken. Die knapp 90 Städte und Gemeinden mit anderer Trägerschaft sollen ihrem Beispiel folgen, so dass an die 90 000 Betrugsfälle verhindert werden. Erhoffte Einsparungen: bis zu 440 Millionen Euro. Ein erweiterter Datenabgleich auch mit anderen Behörden soll bis zu 800 Millionen Euro einsparen. Zu der Sparsumme soll auch ein Sofortangebot an Arbeitslose für eine Beschäftigung oder Qualifizierung beitragen, wenn sie Arbeitslosengeld II beantragen und vorher keine Leistungen bezogen haben. Die Regierung erwartet, dass von 750 000 Neuzugängen »jährlich bei 75 000 Personen ein Leistungsbezug vermieden werden kann«. Unter dieser Annahme seien Einsparungen in Höhe von 280 Millionen Euro realisierbar.
Gleichzeitig werden die Strafen verschärft. Wer binnen eines Jahres zwei Mal eine Stelle oder Qualifizierung ausschlägt, muss mit einer Kürzung des Arbeitslosengeldes II um bis zu 60 Prozent rechnen. In Kraft treten sollen die Neuregelungen am 1. August.
Die Ausgaben für das Arbeitslosengeld II drohen allerdings nach neuen Zahlen vom April auch in diesem Jahr den Kostenrahmen zu sprengen. In den ersten vier Monaten habe der Bund für die Auszahlung des Arbeitslosengeldes II etwa 9,18 Milliarden Euro ausgegeben, hieß es in Kreisen der großen Koalition. Im gleichen Vorjahreszeitraum lagen die Ausgaben bei 8,042 Milliarden Euro. Auf das Jahr hochgerechnet könnten sich die Ausgaben damit auf etwa 27,5 Milliarden Euro belaufen - gut drei Milliarden mehr als die geplanten 24,4 Milliarden Euro. Dramatisch gestiegen sind zudem die Ausgaben für Wohnungs- und Heizkosten der Langzeitarbeitslosen. Dafür gaben die Kommunen in den ersten vier Monaten nach vorliegenden Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit etwa 3,96 Milliarden Euro aus - gut 20 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2005.
Unions-Haushaltsexperte Steffen Kampeter (CDU) aus Minden reagierte mit Sorge. »Die Beschwichtigungsformeln ähneln denen aus dem vergangenen Jahr«, sagte der CDU-Politiker. »Arbeitsminister Franz Müntefering muss die wahren Zahlen jetzt auf den Tisch legen.« Angesichts der sich bereits im März abzeichnenden Kostensteigerung hatten Arbeits- und Finanzministerium gleichermaßen davor gewarnt, aus den Ausgaben auf ein Milliardenloch zum Jahresende zu schließen.
Die kommunalen Spitzenverbände forderten, in den Beratungen über das Gesetz den zweijährigen, befristeten Zuschlag für Bezieher des regulären Arbeitslosengeldes I beim Übergang in das Arbeitslosengeld II abzuschmelzen. Zudem solle pro Hartz-IV-Haushalt nur ein Auto als angemessen anerkannt werden. Unterstützung erhielten die Verbände von den Arbeitgebern.
DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer warf der Koalition dagegen vor, mit dem Gesetzesvorhaben die »Schieflage beim Prinzip Fördern und Fordern« nicht zu korrigieren. Die Grünen warfen der Koalition vor, Arbeitslose zu bespitzeln. Die FDP forderte ein entschlossenes Vorgehen gegen Leistungsmissbrauch. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 04.05.2006