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Das geschenkte Leben nicht einfach hinnehmen

Lebertransplantierte Frau (47) setzt sich für andere Betroffene ein

Von Daniela Rahn
Bielefeld (WB). Den 16. März 2001 wird Gabriele Hankel mit Sicherheit nie mehr vergessen. An diesem Tag wurde ihr das Leben noch einmal neu geschenkt. Vermutlich durch das pflanzliche Arzneimittel Kava-Kava war die Leber der Bielefelderin innerhalb weniger Wochen vergiftet und damit nahezu zerstört worden. Nur ein Spenderorgan konnte der damals 42-jährigen Frau und Mutter buchstäblich im letzten Moment das Weiterleben ermöglichen.

Alles begann damit, dass sich Gabriele Hankel von einer Operation nicht recht erholen konnte. Sie fühlte sich schlapp und niedergeschlagen und suchte im Januar 2001 Rat bei ihrer Hausärztin. Hier wurden Urin- und Blutproben entnommen. Als Sofortmaßnahme gab die Ärztin ihrer Patientin eine Musterpackung eines Kava Kava-Produktes und ein Johanniskraut-Präparat mit auf den Weg.
Zu diesem Zeitpunkt war der berufstätigen Apothekenhelferin nicht bekannt, dass Kava Kava - ein Extrakt aus den Wurzeln des Rauschpfeffers -Êin dem Verdacht stand, schwerste Leberschäden verursachen zu können. Zu diesem Zeitpunkt konnte Gabriele Hankel demzufolge auch noch nicht wissen, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Zulassung von kavainhaltigen Medikamenten am 14. Juni 2001 widerrufen würde.
Stattdessen setzte sich ihr Leidensweg fort. Der Allgemeinzustand von Gabriele Hankel verschlechterte sich zusehends - doch die Ärztin wollte keinerlei bedrohliche Situation erkennen und befand die untersuchten Werte ihrer Patientin für »in Ordnung«, verabreichte aber dennoch Jod - vorbeugend. Und infolge einer allergischen Reaktion auf die Jod-Dosis schließlich Betablocker.
Es ging weiter bergab. Nur mit Hilfe ihres Mannes konnte sich Gabriele Hankel Ende Februar noch in die Praxis schleppen. Ihr Urin war nahezu dunkelorange, ihre Augen gelblich gefärbt - beides Hinweise auf eine Leberschädigung. Erst jetzt wurden die Leberwerte der Bielefelderin genauer unter die Lupe genommen und brachten den Befund: Die Leber ist krank. Allerdings mutmaßte die Ärztin auch zu diesem Zeitpunkt noch nichts Bedrohliches, tippte auf eine Virushepatitis und verordnete über das Wochenende Bettruhe.
Weil sie das Vertrauen in ihre Hausärztin zu diesem Zeitpunkt gänzlich verloren hatte, suchte Gabriele Hankel einen anderen Arzt auf - und wurde wegen akuter Lebensgefahr umgehend ins Krankenhaus eingewiesen. Die Diagnose »Lebensbedrohende Funktionsstörung der Leber bei unklarer Ursache« ließ nur einen Schluss zu: Verlegung in die Uniklinik nach Hannover -Êund Platz eins auf der Warteliste für eine Spenderleber bei Eurotransplant.
Dort wollte man der Frau und Mutter einer damals 18-jährigen Tochter keine falschen Hoffnungen machen: »Verabschieden Sie sich am besten telefonisch von ihren Angehörigen«, legten die Ärzte in Hannover ihr nahe. Ohne ein passendes Spenderorgan, das sagte man ihr unumwunden, würde Gabriele Hankel die folgenden 24 Stunden sicher nicht überleben. Danach legte man sie in ein künstliches Koma.
Dass sie am folgenden Tag ihre Augen wieder öffnen konnte und man die Frischoperierte mit einem »Willkommen im Leben« begrüßte - dafür will die Bielefelderin bis an das Ende ihres Lebens dankbar sein. Und zwar nicht nur mit Worten.
»Ich kann nicht einfach das Organ eines anderen Menschen nehmen und so tun, als sei nichts gewesen. Mir war ganz schnell klar: Ich tue was!«, erinnert sich die energiegeladene Frau, deren Transplantation jetzt etwas mehr als fünf Jahre zurück liegt. Unter dem Dach des Vereins »Selbsthilfe Lebertransplantierter Deutschland« ist Gabriele Hankel heute Ansprechpartnerin für den Bereich Ostwestfalen-Lippe, wenn es um Rat und Fragen aller Art geht, die im Zusammenhang mit Lebererkrankungen oder -transplantationen stehen.
Dazu steht sie Betroffenen, aber auch Angehörigen sozusagen 24 Stunden täglich und rund um die Uhr telefonisch zur Verfügung: »Durch meine eigene Geschichte bin ich ganz tief in das Thema eingestiegen. Ich kenne die Ängste, die Betroffene umtreiben, und weiß, dass es in der Kommunikation mit Ärzten oftmals zu Verständnisproblemen kommt. Viele Patienten trauen sich erst gar nicht, bestimmte Fragen zu stellen«, berichtet Gabriele Hankel, die Antworten auf viele Fragen kennt und diese, wenn die Situation es erfordert, auch nachts um zwei Uhr beantwortet.
Dabei versteht sich die 47-Jährige als Bindeglied zwischen Patienten einerseits und Ärzten sowie Transplantationszentren andererseits. Ihr ist es wichtig, dass Betroffene und ihre Angehörigen sich nicht alleine gelassen fühlen und medizinische Zusammenhänge besser verstehen können.
Ein besonderes Anliegen ist Gabriele Hankel ein Thema, das nicht nur leberkranke Menschen, sondern eigentlich alle betrifft: Screening. Das ist eine Vorsorge-Untersuchung, mit der es möglich ist, das Risiko für bestimmte Erkrankungen zu ermitteln. Hier kann auch die Verträglichkeit beziehungsweise Unverträglichkeit bestimmter Stoffe und Medikamente für den Körper getestet werden. »Damit«, ist Gabriele Hankel sicher, »könnte so manchem Patienten noch größeres Leid erspart bleiben.«
Ratsuchende erreichen Gabriele Hankel per E-Mail unter der Adresse Hankel.Gabriele@web.de

Artikel vom 12.05.2006