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Leben eines Straßenkindes

»Oscar«-prämierter Film »Tsotsi« aus Südafrika läuft an


Die gute Laune ist trügerisch: Jugendliche tanzen durch eine Bretterhütte, afrikanische Rhythmen, fröhliches Lachen, doch am Nebentisch streiten sich vier Straßengangster, die bei einem Überfall einen alten Mann erstochen haben. »Wir sind zu weit gegangen«, sagt einer; ein anderer rastet aus, schlägt den Gegenüber krankenhausreif und flüchtet in die nächtliche Millionenstadt Johannesburg. Die fröhliche Musik ist längst verstummt.
Der da aus dem Township rennt, nennt sich Tsotsi - Slang für Gangster - und ist der Held des gleichnamigen Films aus Südafrika, der im März den »Oscar« als bester ausländischer Streifen gewann. Der Film zeigt sechs Tage im Leben des 19 Jahre alten ehemaligen Straßenkindes (Presley Chweneyagae), das nichts gelernt hat außer Brutalität.
Aber Regisseur Gavin Hood und Autor Athol Fugard erzählen keine Gangsterstory. Sie zeigen das »neue« Südafrika - wo es mehr als ein Jahrzehnt nach dem Ende der Apartheid steht, wovon es heute noch träumt, seine Zerrissenheit, seine sozialen Probleme.
Auf der einen Seite stehen Tsotsis Kumpels, die tagsüber auf Raubzug gehen und abends die Beute in Township-Kneipen verzechen. Auf der anderen Seite der Stadt haben sich Südafrikas Wende-Gewinner in schicken Villen hinter Mauern, Stacheldraht und Alarmanlagen eingerichtet. Über der neuen schwarzen Mittelschicht schwebt der Schatten jener Dritten Welt aus wackeligen Hütten und provisorischen Staubstraßen, der nur eine halbe Autostunde entfernt ist.
Doch der Film zeigt auch den Frohsinn im Township und vor allem die Suche nach dem kleinen Glück. Passend dazu hämmert im Soundtrack der aus den Townships in die Charts gelangte »Kwaito«-Beat, der sich längst amerikanischer Hiphop-Posen und des Traums vom schnellen Geld bedient. In Tsotsis müden Augen dagegen spiegeln sich keine Träume - bis er auf eine schwarze Vorstadt-Frau schießt, ihre Limousine stiehlt und zu spät bemerkt, dass er darin auch ihr Baby mitgenommen hat. Im verschrobenen Versuch, die Fehler des eigenen Vaters nicht zu wiederholen, will sich Tsotsi um den Knirps kümmern.
Dass das Motiv von »Tsotsi« weltweit verstanden wird, verdankt der Film der Komik dieser unbeholfenen Annäherung, aber auch den spannenden Krimiszenen und der zaghaften Liebesgeschichte zur jungen Township-Mutter Miriam (Terry Pheto).

Artikel vom 04.05.2006