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Europas Hightech-Labor will
endlich seinen Platz im All

»Columbus« leidet unter Folgen von »Columbia« - Merkel lobt Technologie

Von Hans-Christian Wöste
Bremen (dpa). Händeschütteln mit Astronauten und zum Abschied ein gemeinsamer Auftritt mit Grundschülern. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Sympathien auf ihrer Seite, als sie gestern bei der Übergabefeier des europäischen Weltraumlabors »Columbus« auf der Festbühne stand.
Angeregt unterhielt sich die Physikerin Angela Merkel mit dem deutschen Astronauten Thomas Reiter (Mitte) und dem Franzosen Michel Toguini. Grafik: dpa/Foto: Reuters

Ihr Dank an die »Columbus«-Konstrukteure kam in Bremen vor etwa 1000 Vertretern aus Wissenschaft, Politik und Raumfahrtindustrie gut an. Denn hinter den Ingenieuren aus zehn europäischen Ländern liegen zehn Jahre Forschung, Entwicklung und Bau des High-Tech-Labors - glänzende Erfolge und niederschmetternde Rückschläge inbegriffen.
Denn mit der Übergabe von »Columbus« an die Europäische Weltraumorganisation ESA hat Europa zwar einen Meilenstein auf dem Weg ins All geschafft. Dort oben, in 400 Kilometern Höhe, soll das Labor, das 880 Millionen Euro gekostet hat, ein wichtiger Bestandteil der Raumstation ISS werden. Doch »Columbus« ist zwar startklar, aber noch lange nicht am Ziel angekommen. Ende Mai fliegt es zunächst mit einem Airbus-Transporter von Bremen nach Florida zum Weltraumbahnhof Cape Canaveral. Von dort soll es dann im Herbst 2007 (hoffentlich) mit einem US-Shuttle zur Internationalen Raumstation (ISS) starten. »Columbus« ist auf die amerikanischen Raumfähren angewiesen. Nur diese können mit der acht Meter langen und 4,5 Tonnen schweren High-Tech-Röhre von der Erde abheben und eine Umlaufbahn von rund 400 Kilometern erreichen. Deren Fahrplan hängt weit hinter den Planungen, seitdem die Fähre »Columbia« am 1. Februar 2003 explodierte, sieben Astronauten in den glühenden Trümmern starben.
Ursprünglich sollte das Labor bereits im Oktober 2004 ins All. Doch immer wieder hatte die US-Weltraumbehörde NASA nach dem »Columbia«-Desaster den internationalen Zeitplan im Bemühen um mehr Sicherheit durcheinander gebracht. Derzeit ruhen die Hoffnungen der Europäer vor allem auf dem nächsten Shuttle-Flug im Juli. Dann soll endlich auch der deutsche Astronaut Thomas Reiter mehrere Monate in der ISS arbeiten und unter anderem die Ankunft von »Columbus« vorbereiten. Seit einem Jahr schon ist er im Wartestand. »Falls sich noch eine Lücke ergibt, wir rücken auch gerne noch ein Stück weiter vor«, richtete die Kanzlerin denn auch gestern einige Worte direkt an die verantwortliche NASA-Dame Shana Dale.
Merkel als studierte Physikerin nutzte die Gelegenheit zudem, mit dem Hinweis auf »Columbus« als einem Produkt »deutscher Spitzentechnologie« Werbung für eine gezielte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu betreiben. Der Kanzlerin zufolge werden in Deutschland jährlich 10 000 Ingenieure zu wenig ausgebildet. Angela Merkel: »Das muss sich wieder ändern.«

Artikel vom 03.05.2006