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Zur Fußball-WM
Rote Karte für
Frauenhändler

Kampf gegen Zwangsprostitution

Von Christian Althoff
Herford (WB). Rote Karte für Menschenhändler: Während der Fußball-Weltmeisterschaft wird es in Ostwestfalen-Lippe eine zentrale Kampagne gegen Zwangsprostitution geben. Organisiert wird sie von der Herforder Beratungsstelle Nadeschda, die sich seit Jahren um Opfer des Menschenhandels kümmert.
Erster Kriminalhauptkommissar Erhard Ebmeier.
200 Bordelle sind der Polizei in Ostwestfalen-Lippe bekannt, in vielen werden Frauen zur Prostitution gezwungen. Bis zu 70 der oft osteuropäischen Opfer werden pro Jahr von Nadeschda betreut. »Das sind meist alleinerziehende Mütter, die nicht wissen, wie sie ihre Kinder durchbringen sollen«, sagt Nadeschda-Mitarbeiterin Corinna Dammeyer. Die Frauen reisten illegal ein und hofften, als Prostituierte Geld für ihre Familie zu verdienen. »Sie ahnen nicht, dass Schleuser und Zuhälter so hohe angebliche Kosten berechnen, dass sie ihren Lohn auf Monate oder Jahre abgeben müssen und nicht mehr aussteigen können.« Oftmals beendeten erst Razzien die Leiden der Frauen, die dann von Nadeschda betreut würden.
Experten befürchten, dass während der WM, wie auch bei anderen Großveranstaltungen, die Zahl der Zwangsprostituierten zunehmen wird. »Deshalb wollen wir die Männer in die Pflicht nehmen«, sagt Pfarrerin Birgit Reiche von der Ev. Frauenhilfe Westfalen, in deren Trägerschaft Nadeschda arbeitet. Vom 9. Juni bis zum 9. Juli werden ostwestfalenweit in Diskos und Gaststätten 68 500 Karten verteilt, die von Sponsoren finanziert worden sind. »Abpfiff - Stoppt Zwangsprostitution« steht auf der Vorderseite in fünf Sprachen. Auf der Rückseite sind Hinweise aufgelistet, die für Zwangsprostitution sprechen - etwa, wenn eine Frau auf alle Forderungen eingeht und nicht um den Preis feilscht. Birgit Reiche: »Wir bitten Freier, in solchen Fällen die Hotline 01802/331333 anzurufen. Wir gehen den Hinweisen dann nach.« Es sei nicht ungewöhnlich, dass Männer Auffälligkeiten meldeten, ergänzt Corinna Dammeyer. Mehrere Dutzend solcher Anrufe erreichten Nadeschda jedes Jahr: »Manche Freier melden uns Frauen, die offenbar misshandelt worden sind, andere glauben, dass eine Prostituierte minderjährig sein könnte.«
»Die Polizei begrüßt das Projekt«, sagt Erster Kriminalhauptkommissar Erhard Ebmeier aus Bielefeld. »Viele Frauen kommen aus wirtschaftlicher Not und haben dann keine Chance, sich hier der Ausbeutung zu widersetzen. Deshalb sagen auch wir zu den Freiern: Meldet verdächtige Beobachtungen!«
Unterstützt wird die Aktion auch von den Landräten sowie dem Bielefelder Oberbürgermeister. Die Verwaltungschefs waren von Herfords Landrätin Lieselore Curländer ins Boot geholt worden, die gestern feststellte: »Wir erwarten zur Fußball-WM Fair Play - auch von den Freiern!«.

Artikel vom 03.05.2006