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Der Staat kassiert wie nie

2007 höhere Mehrwertsteuer und noch acht Kostensteigerungen

Von Reinhard Brockmann
Berlin (WB). Die Einführung des Elterngeldes wird 2007 begleitet von einer nie dagewesene Kostenlawine. Die Belastung der Deutschen wird etwa doppelt so hoch ausfallen wie die Mehrwertsteuererhöhung.

Union und SPD einigten sich in der Nacht zum Dienstag auf Kompromisse zum Elterngeld und der Reichensteuer. Eltern sollen zwölf Monate lang 67 Prozent des letzten Nettoeinkommens erhalten, höchstens 1800 Euro. Zwei weitere Monate werden gezahlt, wenn der Vater sich in dieser Zeit hauptsächlich um das Kind kümmert.
Mit der Kampagne »Es ist fünf vor 19« sammelt der Bund der Steuerzahler unterdessen Unterschriften gegen die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer von jetzt 16 auf 19 Prozent. »Die Grenze des Erträglichen ist längst überschritten«, ergänzte Walter Hirrlinger, Präsident des Sozialverbandes VdK. Die »Belastungsorgie« gehe weiter. Die Bürger müssen sich auf bis zu acht weitere »Zugriffe der Abkassierer« einstellen:- Der »Gesundheitssoli« zur Finanzierung der Gesundheitsreform soll 1 bis 2 Prozent vom Bruttolohn betragen. Alternativ sind drei Prozent mehr Einkommensteuer im Gespräch.- Die Pendlerpauschale für die ersten 20 Entfernungskilometer wird gestrichen. Fahrtkosten sind nur noch absetzbar, wenn der individuelle Freibetrag für außergewöhnliche Belastungen nicht ausgeschöpft ist.- Die Erbschaftssteuern steigen - in welchem Umfang ist noch offen.- Die Reichensteuer belastet Bezieher von mehr als 250000 Euro mit 3 Prozent Topzuschlag.- Sparerfreibeträge werden halbiert, Rücklagen beispielsweise fürs Alter damit stärker besteuert.- Gewinne aus Privatverkäufen von Haushaltsgegenständen - etwa bei ebay -, Antiquitäten und Aktien werden grundsätzlich zu 20 Prozent steuerpflichtig.- Der pauschale Abschlag auf Minijobs steigt für Arbeitgeber von 20 auf 25 Prozent.- Der Arbeitnehmeranteil an der Rentenversicherung steigt von 9,75 auf mindestens 9,95 Prozent.
Die einzige Entlastung im kommenden Jahr führt CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter, Minden, ins Feld. Der Anteil an der Arbeitslosenversicherung sinkt um einen Prozentpunkt von 3,25 auf 2,25 Prozent.
Modellrechnungen des Steuerzahlerbundes sehen die Mehrbelastung eines ledigen Arbeitnehmers (2000 Euro brutto) allein durch die höhere Mehrwertsteuer bei 16,81 Euro. Für Doppelverdiener-Ehepaare (3000/1000 Euro) liegt sie bei 46,55 Euro. Entlastet durch die günstigere Arbeitslosenversicherung wird in diesem Beispiel der Single um 20, das Ehepaar um 40 Euro. Freiberufler, Gering- und Spitzenverdiener sowie Rentner werden voll getroffen.
Nach der jüngsten Studie des Karl-Bräuer-Instituts vom Bund der Steuerzahler, die dieser Zeitung vorliegt, wird die Belastung mit Steuern und Abgaben bis 2009 auf fast 53 Prozent steigen. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft erwartet dadurch eine Verlangsamung des Wachstums von 2,1 auf 1,2 Prozent in 2007 und warnt vor einer sprunghaft steigenden Inflationsrate. Finanzminister Peer Steinbrück hält an den Plänen fest, um EU-Stabilitätsforderungen zu erfüllen. Themen der Zeit: Hintergrund und Leitartikel

Artikel vom 03.05.2006