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Ursula von der Leyen

»Das Elterngeld
ist ein wichtiger Baustein für
eine neue
Familienpolitik.«

Leitartikel
Elterngeld und Preisschub

Eine Geste, mehr ist nicht drin


Von Reinhard Brockmann
Sie hat es ein »Signal« genannt, das neue Elterngeld. Gottlob erklärt Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen die Zahlung von zwölf- plus zweimal mindestens 300 Euro lediglich zu einer Geste - und nicht zu mehr.
So begrüßenswert die Förderung junger Familien ist, so sehr anerkannt werden muss, dass überhaupt noch Geld ausgegeben wird zu - auf den ersten Blick - unökonomischen Zwecken, so wenig leitet die Hilfe im ersten Babyjahr einen »Paradigmen-Wechsel« (SPD) ein.
Klar, es ändert sich der Blickwinkel, insbesondere durch Einbeziehung einer Väterkomponente. Wer jetzt allerdings über ungeschickte Papis am Wickeltisch schwadroniert, der übersieht die größte Preistreiberei aller bundesdeutschen Zeiten. Denn darüber sprach gestern in Berlin niemand gern: 2007 wird das Jahr extremer Kostenexplosion für alle.
Die Mehrwertsteuer hat 1968 noch zehn Prozent betragen und damals knapp 20 Milliarden Euro eingespielt. 2005 waren es 140 Milliarden, aber nicht genug für ein gefräßiges Staatswesen, wie es hungriger nicht sein kann.
Wie sonst kann eine Regierung auf die Idee kommen, ihren Bürgern 2007 noch weitere 30 Milliarden Euro abpressen zu wollen?
Die mit drei Punkten historisch stärkste Anhebung einer einzigen Steuer wird begleitet von einem ganzen Katalog kleiner und großer Grausamkeiten. Dabei ist der auf der ersten Seite dieser Zeitung aufgemachte Reigen noch nicht einmal vollständig. Beispielsweise wird die Verkürzung der Bezugsdauer von Kindergeld auf höchstens 25 Jahre noch nicht berücksichtigt. Auch die ALG-II-Empfänger sind im Nachteil, obwohl alle Politiker betonen, das neue Elterngeld führe für diese Gruppe nicht zu Abzügen. Denn: Bisher wurde ein Erziehungsgeld von 300 Euro pro Monat zwei Jahre lang oder in Höhe von 450 Euro ein Jahr lang an Dauerarbeitslose gezahlt. Das neue Elterngeld läuft nach 12 oder 14 Monaten aus.
Die höhere Mehrwertsteuer trifft alle, der Gesundheits-Soli die meisten und die übrigen Grausamkeiten treffen viele Gruppen. Aber das Ergebnis ist für alle Schichten identisch: Sie haben weniger Geld in der Hand, Stimmung und Konsum werden als erste abgewürgt.
Es ist müßig, in einen Wettbewerb einzutreten, welche Gruppe am meisten bluten muss: die Rentner, die Ärmsten, die Reichsten, der gemolkene Mittelstand oder die Kleinverdiener? Vieles spricht dafür, dass Familien mit Kindern diesen zweifelhaften Titel für sich reklamieren dürfen.
Man muss nicht einmal wie die Familienpartei, einsame Lobbyisten einer gebeutelten Bevölkerungsgruppe, auch noch die direkten Steuern auf Nahrung und Verbrauch mit einbeziehen, um haarklein vorzurechnen, wer am gnadenlosesten abkassiert wird in diesem Lande.
Immerhin, der Schuldenstaat setzt noch »Signale« wie das Elterngeld. Will sagen: »Liebe Eltern, wir haben zwar verstanden, aber mehr ist nicht drin.«

Artikel vom 03.05.2006