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Das Leben ist nicht wunderbar

»Der letzte Yankee« träumt in Bielefeld den amerikanischen Traum

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Krankheit als Rückzugsort. Wer krank ist, der kann nicht funktionieren, kann Erwartungen nicht entsprechen - auch nicht den eigenen. Patricia (Nicole Paul) und Karen (Therese Berger) funktionieren nicht mehr und sind deshalb in der Psychiatrie gelandet.

Der Erfolgsdramatiker Arthur Miller (1915-2005) hat die beiden Frauen und deren Männer Leroy (Harald Gieche) und Frick (Max Grashof) ins Zentrum seines ironischen Blickes auf die Welt gestellt. Er erzählt in seinem Stück »Der letzte Yankee« (1995), das im Bielefelder Theater am Alten Markt (TAM) Premiere hatte, von Träumen. Auch wenn die Währung Dollar heißt, wenn Geldscheffeln zur Tugend mutiert ist - es sind keine amerikanischen Träume. Das Leben der vier Menschen, der zwei Paare, ist geprägt von festen Werten: Familientradition, unerschütterlicher Glaube von Einwanderern an ein besseres Leben, Überzeugung, dass derjenige, der fleißig ist, es auch zu etwas bringt. Karen, unfreiwillig kinderlos (»Irgendwann war es zu spät«) und von ihrem Mann eher wie ein Möbelstück denn wie eine Ehefrau behandelt, sehnt sich nach Anerkennung, nach Applaus.
Therese Berger spielt sie als eine Frau, die kaum noch zuhören kann, sich krampfhaft an Vertrautes klammert - und die letztendlich doch lieber »krank« bleibt als sich dem Leben da draußen zu stellen. Frick, ihr Mann, (Max Grashof in Cowboyhut, Schlangenlederstiefeln) ist der klassische Selfmademan, einer, der es zu etwas gebracht hat und gern darüber spricht. Was ihm fehlt, ist Tradition, ist Größe. Er kann nicht verstehen, warum Wartezimmer-Bekanntschaft Leroy (Harald Gieche), dessen Vorfahr doch zu den Vätern der Verfassung gehörte, »nur« Tischler geworden und damit auch noch zufrieden ist. Gut, er hat Schulden und traut sich nicht, gutes Geld für gute Arbeit zu fordern, wie es ihm seine Frau Patricia (Nicole Paul) doch immer und immer gepredigt hat. Die hat sich in eine Tablettenabhängigkeit geflüchtet, schaffte es aber, sich allein daraus zu befreien, selbst die Initiative zu ergreifen, zu versuchen, das Beste aus ihrer Ehe zu machen. Leroy und Pat haben erkannt, dass das Leben wahrscheinlich nicht mehr »wunderbar« wird - jedenfalls nicht so wunderbar, wie sie es erträumt hatten, damals, als sie das »schönste Paar im Ort« waren. Die Darsteller zeigen Haltung - ihre Haltung. Äußerlichkeiten sind es, die vor allem für Frick alles sagen über Erfolg oder Misserfolg. Natürlich lieben die Männer ihre Frauen - zumindest die Vorstellung, die sie von ihnen haben. Und umgekehrt. Immerhin machen Leroy und Pat zum Schluss Hoffnung darauf, dass doch noch alles gut werden könnte. Was immer das heißen mag - gut.
Und das ist ja nicht nur ein amerikanischer Traum.
Weitere Vorstellungen gibt es im Mai und Juni.

Artikel vom 01.05.2006