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Köhler zeigt Sportsgeist

Schneidezahn verloren, aber: »Da muss man nicht pfeifen«

Berlin (WB/en). Wenn sich die Münchener Bayern das Pokalfinale 2006 in Erinnerung rufen wollen, genügt ein Blick in die Vitrine. Frankfurts Benjamin Köhler wird in den nächsten Tagen jeder Blick in den Spiegel in diese 90 Berliner Ball-Minuten zurückversetzen - der Hacke von Willy Sagnol sei Dank.Opfer im Zweikampf mit Willy Sagnol: Frankfurts Benjamin Köhler.

64 Zeigerumdrehungen war das Geschehen im Olympiastadion alt, als sich der Aufreger des Abends ereignete. Köhler nimmt dem Franzosen den Ball ab, läuft auf die Strafraumgrenze des Rekordmeisters zu, wird kurz davor von Willy Sagnol zu Fall gebracht und fällt so unglücklich, dass er einen halben seiner Schneidezähne verliert. Schiedsrichter Herbert Fandel entscheidet auf Weiterspielen.
Nicht nur Benjamin Köhlers Coach Friedhelm Funkel versteht die Fußballwelt nicht mehr. »Das kann man definitiv anders sehen. Für mich war das ein Foul, das konsequent hätte geahndet werden müssen.« Pianist Fandel ahndete nur etwas anderes, schickte den Übungsleiter der Eintracht auf die Tribüne und kassierte dafür nach der Partie einen fragwürdigen Vorwurf Funkels: »Auf der anderen Seite wäre eine solche Aktion bestimmt gepfiffen worden.«
Nur gut, dass sich der, der die Situation am besten beurteilen konnte, als fairer Verlierer erwies und nicht den Bayern-Bonus bemühte. »Ich habe mir den Ball zu weit vorgelegt und dann einen Stoß bekommen. Das muss man aber nicht unbedingt pfeifen«, widersprach Köhler seinem Trainer.
In dieser Situation lagen Chef und Schützling weit auseinander, das große Ganze aber brachte das Eintracht-Duo auf einen gemeinsamen Nenner. »Wir haben ein sehr, sehr gutes Spiel gezeigt und Bayern alles abverlangt«, sagte Funkel. »Nach dieser starken Leistung können wir selbstbewusst in das wichtige Spiel gegen Kaiserslautern gehen. Am Mittwoch machen wir den Klassenerhalt perfekt«, sagte der zahnlose Köhler.
Nachdem die Hessen schon für ihren großen Kampf gegen die Bayern nicht belohnt wurden, wollen sie sich für den aufopferungsvollen Einsatz nicht vier Tage nach dem Finale von ausgeruhten Lauterern bestrafen lassen. Die 2,2 Millionen Euro für die Final-Teilnahme exklusive der zu erwartenden Einnahmen in der nächsten UEFA-Cup-Saison könnten die Folgen des direkten Wiederabstiegs in Liga zwei nicht auffangen.
Das weiß ausgerechnet der kommende Bundesligagegner der Frankfurter nur zu genau: Am 18. Mai 1996 aus der Bundesliga abgestiegen, gewann der 1. FC Kaiserslautern eine Woche später mit einem 1:0 gegen den Karlsruher SC den Pokal - schon damals nur ein schwacher Trost für Andy Brehme und Kollegen. Deshalb sagte nicht nur das Geburtstagskind Marko Rehmer - seit Samstag 34 Jahre alt: »Das Pokalfinale war wichtig, aber das Spiel gegen Kaiserslautern ist wichtiger.«

Artikel vom 01.05.2006