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Elias Sansar setzt sich sofort ein Denkmal

Sieg bei der Premiere: »Ich hatte noch Reserven«

Von Hans Peter Tipp
Detmold/Bielefeld (WB). Zunächst war ihm alles ein bisschen fremd. Doch mit jedem Meter freundete sich Elias Sansar bei seiner Premiere ein Stück mehr mit dem Hermannslauf an. Am Ende war er ihm sogar richtig ans Herz gewachsen.

Denn Sansar war überhaupt nicht zu halten. »Da waren bestimmt noch zweieinhalb Minuten drin«, sagte der 26 Jahre alte Lemgoer an der Sparrenburg, nachdem er sich den Siegerkranz abgeholt hatte. Und dabei war er im Trikot von Eintracht Bielefeld auf der seit einem Jahr 31,1 km langen Strecke mit 1:45:50 Stunde eine Top-Zeit gelaufen.
So sah es auch der Zweite, der zweimalige Hermannslauf-Sieger Marcus Biehl, der seine 1:47:21 dicht an seiner bisherigen Bestmarke einordnete und zufrieden war: »Elias ist eben deutsche Spitze und unsereins nur ein Volksläufer. Aber ich war bis jetzt zweimal Erster, zweimal Dritter und seit heute zwei Mal Zweiter -Êdiese Serie kann sich auch sehen lassen.« Biehl verfolgte Sansar so gut es ging, verlor ihn aber doch aus den Augen. Vorausgegangen war ein kurzer, entscheidender Dialog der allein Führenden. »Entscheide es auf der Zielgeraden«, sei Sansar zugerufen worden, berichtete Biehl. Da habe er den Nebenmann zur Rede gestellt: »Ich habe ihm gesagt, dass so etwas unfair wäre für einen deutschen Spitzenläufer. Und bei Kilometer 24 ist er dann davongezogen. . .«
Es war aber nicht der einzige Führungswechsel beim Kultlauf der Ostwestfalen. Zwischendurch schaltete sich auch Thomas Böckenholt ein, während Triathlet Ingmar Lundström (Solbad Ravensburg) früh ausstieg. »Oben am Tönsberg war ich so locker. Da habe ich Fahrt aufgenommen und bin in Oerlinghausen an ihnen vorbeigelaufen«, erzählte der Warendorfer.
Knapp zwei Kilometer behauptete Böckenholt die Führung, dann reihte er sich wieder in der späteren Zielreihenfolge ein. Aber auch als Tagesdrittem ging ihm nach zweijähriger Hermannslaufpause im Ziel erneut das Herz über. »Das ist das, worauf ich zwei Jahre gewartet habe -Êdiese Stimmung. Die findest noch nicht einmal in Berlin beim Marathon.«
Auch Elias Sansar wusste genau, was ihm bis jetzt gefehlt hatte. Der gebürtige Kurde, dessen Spitzenleistungen bislang in seiner ostwestfälischen Heimat kaum beachtet worden waren, hatte die große Bühne für sich. »Das ist eine Superstimmung«, meinte er, als alles vollbracht war.
Morgens war er noch wesentlich nervöser gewesen. Da hatte ihn Hermannslauf-Routinier Bernd Rieke erst einweisen müssen, wie und wo er den lila-roten Kleiderbeutel vor dem Start noch loswerden würde.
Doch schon bald wusste Sansar, dass es sein Tag war. »Ich bin glücklich, dass ich durchgekommen bin. Aber ich hatte es mir schwerer vorgestellt«, sagte Sansar, der zum ersten Mal einen Wettkampf über eine solch lange Distanz bestritt. Jetzt hat der DM-Sechste des Vorjahres über 5000 m Spaß daran gefunden. Die Bahn-Titelkämpfe wird er bestreiten, doch im Herbst will er in Berlin einen Marathon wagen - und im nächsten Jahr das Hermannsdenkmal wieder besuchen.

Artikel vom 01.05.2006