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Englands »Constable«
auf Streife am Teuto

Simon Keeling zu Besuch bei der Polizei in Bielefeld

Von Gerhard Hülsegge
und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). Nein, wie ein »Bobby« sieht er nicht aus. Er heißt nicht einmal so, sondern Simon Keeling. Trotzdem zog der britische Verkehrspolizist aus London gestern die Blicke auf sich, als er bei seinem Bielefeld-Besuch mit deutschen Kollegen auf Streife ging.

Denn seine Uniform (weiße Mütze und gelb-grauer Mantel) unterschied sich schon von der Montur, in der Polizeihauptkommissar Peter Gennrich (40) und Polizeikommissar Bernd Gralla (40) die Fußgängerzone durchstreiften. »Mir gefällt es hier«, sagt der sympathische Engländer in fast lupenreinem Deutsch. Und schiebt die Erklärung dafür gleich hinterher: »Ich habe während meiner Studienzeit neun Monate in Stuttgart als Dolmetscher gearbeitet.« Aus dem gelernten Software-Techniker ist ein Ordnungshüter geworden.
Nach Deutschland ist er am Mittwoch durch Vermittlung der IPA (International Police Association) gekommen. Gennrich ist Sekretär der Vereinigung und hatte bei einem Treffen in Oldenburg vom Wunsch des Briten gehört, einmal den deutschen Polizeialltag kennen zu lernen. Die Behörden waren einverstanden. Kollege Gralla nahm den Briten bei sich auf. Sonntag geht es zurück auf die Insel. Was sagt die Queen dazu? »Ich weiß es nicht, habe sie nicht gefragt«, schmunzelt Constable Keeling und schlendert mit seinen deutschen Kollegen über Jahnplatz, Niedern- und Obernstraße. Das rote Telefonhäuschen kommt ihm bekannt vor. Auch der Tee (mit Milch und Zucker) aus Wernings Weinstube mundet ihm ausgezeichnet.
Zu Hause ist der Ordnungshüter für die Londoner Stadtteile Westminster, Camden, Islington, Kensington und Chelsea zuständig. Euston ist seine Basis. In der englischen Hauptstadt gehen wöchentlich 13 Unfälle tödlich aus. Zum Vergleich: In Bielefeld sind diesbezüglich »nur« 15 Todesfälle im Jahr zu beklagen. »Bielefeld ist schön, viel sauberer als London«, schwärmt Simon Keeling, während Passanten neugierig Ausschau nach den Buchstaben TD (für Traffic Division) und der Schulternummer (zur Identifikation) 271 halten. Zur Ausrüstung gehören Spray, Schlagstock und Handschellen. Waffen trägt der britische Polizist - im Gegensatz zum deutschen - nicht.
Er dürfte Gralla und Gennrich auch nur im Notfall Beistand leisten. Dafür hat sich der Besucher der Polizeiinspektion Ost bereits auf dem Schießstand umgesehen und sich mit den Bundesbeamten in Selbstverteidigung gemessen. Natürlich wird auch noch die Sparrenburg besichtigt. Heute steht indes erst mal eine Party im Paulaner Keller an: Der Junggeselle aus Großbritannien feiert seinen 34. Geburtstag. Ausschau nach einer deutschen Freundin möchte er nicht halten. Denn: »Long distance relationship« ist nicht seine Sache. Soll heißen: Liebe über weite Entfernung lohnt sich nicht.

Artikel vom 28.04.2006