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Wirtschaft wächst kräftig

Experten kritisieren Mehrwertsteuererhöhung - weniger Arbeitslose

Berlin (dpa/Reuters). Die deutsche Wirtschaftsleistung wird nach Ansicht der führenden Forschungsinstitute in diesem Jahr mit 1,8 Prozent so kräftig wie seit sechs Jahren nicht mehr wachsen.

Dank höherer Steuereinnahmen und des Sparkurses könnte Deutschland zudem bereits in diesem Jahr das EU-Defizitkriterium von drei Prozent wieder erfüllen.
Positiv wirkten sich erste Schritte wie höhere öffentliche Investitionen und Ausgaben für Forschung und Entwicklung aus. Grundsätzlich hätten sich die Rahmenbedingungen noch nicht verbessert: »Das Kernproblem der Wachstumsschwäche bleibt.«
Der Staat müsse aus diesem Grund zur Haushaltssanierung mehr sparen, Steuererhöhungen seien der falsche Weg.
Die von der Koalition beschlossene Mehrwertsteuer-Anhebung werde die Wirtschaft aktuell durch Vorzieheffekte zwar beflügeln. 2007 werde der Aufschwung aber auf 1,2 Prozent kräftig gedämpft und die Inflation angeheizt. Aus Sorge vor einem Konjunkturdämpfer im nächsten Jahr schlagen die führenden Wirtschaftsinstitute einen Kompromiss zur geplanten Mehrwertsteuer-Erhöhung vor. Die Steuer solle nicht wie von der Koalition vorgesehen zum 1. Januar von 16 auf 19 Prozent, sondern in einem ersten Schritt nur auf 18 Prozent erhöht werden. 2008 könne dann die Anhebung auf 19 Prozent folgen, um damit in der Unternehmensteuerreform eine Nettoentlastung der Wirtschaft zu finanzieren.
Der Wirtschaft in Ostwestfalen-Lippe geht dieser Vorschlag noch nicht weit genug. »Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist grundsätzlich falsch«, sagte der Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Bielefeld, Jörg Deibert, dieser Zeitung. Wenn es bei der Steuererhöhung bleibe, müssten die Mehreinnahmen aber komplett für die Senkung der Lohnnebenkosten verwendet werden. Die IHK mahnt weitere Reformen an, um die Unternehmen zu entlasten.
Die Konjunkturexperten erwarten, dass die Weltwirtschaft im nächsten Jahr »spürbar an Fahrt« verlieren wird. Die Geldpolitik im Euro-Raum setze geringere Anreize, da die Europäische Zentralbank den Leitzins anheben werde.
Auf dem Arbeitsmarkt wird es in diesem und im nächsten Jahr dem Gutachten zufolge keine echte Trendwende geben. Zwar werde sich die Lage dank des konjunkturellen Aufschwungs spürbar verbessern, »ein nennenswerter Rückgang der strukturell hohen Arbeitslosigkeit ist aber nicht zu erwarten«. 2006 werde die Arbeitslosenzahl zunächst von 4,86 Millionen (2005) auf 4,58 Millionen zurückgehen, 2007 dann auf 4,44 Millionen.
Die übliche Frühjahrsbelebung hat die Zahl der Arbeitslosen im April deutlich auf weniger als 4,8 Millionen verringert. Der Wirtschaftsaufschwung hat den Arbeitsmarkt aber noch nicht erreicht. Eine Trendwende zu mehr Beschäftigung erwartet die Bundesagentur für Arbeit erst im Sommer. Im April waren 4,79 Millionen Arbeitslose registriert, wie die BA mitteilte. Dies seien 187 000 weniger als im März und 262 000 weniger als im April vorigen Jahres. Die Arbeitslosenquote sei um 0,5 Punkte auf 11,5 Prozent gesunken. Der Rückgang sei jahreszeitlich bedingt. Seite 2: Mehr offene Stellen
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Artikel vom 28.04.2006