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Die Kanzlerin streitet mit Putin

Energieversorgung birgt Konfliktstoff - BASF schließt Vertrag mit Gazprom

Tomsk (Reuters). Bundeskanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin haben bei ihrem Treffen in Sibirien in den wichtigsten Streitfragen keine wesentlichen Fortschritte erzielt.
Zum Abschluss der zweitägigen deutsch-russischen Regierungskonsultationen in Tomsk sprach Merkel gestern von Meinungsverschiedenheiten über die Energieversorgung aus Russland.
Differenzen wurden aber auch über das weitere Vorgehen im Konflikt um das iranische Atomprogramm deutlich.
In einer Zeremonie unterzeichneten die Chefs des BASF-Konzerns und des russischen Gasmonopolisten Gazprom eine Vereinbarung, die der BASF-Tochter Wintershall eine Beteiligung an der Ausbeutung des Gasfelds Juschno Russkoje in Sibirien sichert.
Merkel, die erstmals in ihrer Amtszeit an den traditionellen deutsch-russischen Regierungskonsultationen teilnahm, gab sich bei ihren Auftritten mit Putin wie schon beim Antrittsbesuch im Januar distanzierter als ihr Vorgänger Gerhard Schröder. Wie Putin sprach sie von sehr intensiven und offenen Gesprächen.
Merkel war zusammen mit zehn Kabinettsmitgliedern und einer Wirtschaftsdelegation aus 20 Spitzenmanagern zu den Regierungskonsultationen gereist.
Die Kanzlerin räumte ein, dass es in den Beratungen über die Energieversorgung aus Russland für den Westen unterschiedliche Meinungen gegeben habe. Deutschland und Russland verbinde eine über 40 Jahre bestehende »verlässliche Partnerschaft« auf diesem Feld. »Es ist immer wieder hier auch geäußert worden, sowohl von der wirtschaftlichen Seite als auch von der politischen Seite, dass es so bleiben soll, dass sich die Kontakte intensivieren.« Deutschland und Europa seien auf Rohstofflieferungen angewiesen. »Es ist gut, dass wir mit Russland sprechen können«, sagte die Kanzlerin. Wirtschaftsminister Michael Glos sagte mit Blick auf die Russen: »Sie sind vertragstreue Lieferanten.« Etwa ein Drittel der deutschen Gasimporte kommt aus Russland. Putin, der kurz vor den Konsultationen damit gedroht hatte, den Schwerpunkt russischer Gaslieferungen von Europa auf Asien zu verlegen, bemühte sich, Zweifel an der Zuverlässigkeit von Gaslieferungen zu zerstreuen. »Wir sind verlässliche Lieferanten Europas und der Welt«, sagte er. Putin bekräftigte allerdings seine Kritik, dass die Pläne der russischen Energiewirtschaft für eine Expansion in europäische Märkte unfairen Beschränkungen unterworfen würden.
Merkel zeigte sich erfreut über die Vereinbarung zwischen der BASF und Gazprom. BASF-Chef Jürgen Hambrecht war wie sein EON-Kollege Wulf Bernotat in der Wirtschaftsdelegation mit nach Tomsk gereist. Die Verhandlungen zwischen Gazprom und dem ebenfalls stark an dem sibirischen Gasfeld Juschno Russkoje interessierten E.ON-Konzern gerieten aber ins Stocken und sollen fortgesetzt werden, wie EON-Ruhrgas-Chef Burckhard Bergmann sagte.
Die Meinungsverschiedenheiten im Iran-Konflikt über die Rolle des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (UN) wurden nicht bereinigt. Merkel betonte, nach der für heute geplanten Vorlage des Iran-Berichts der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) müsse im Sicherheitsrat über die nächsten Schritte beraten werden. »Das ist eine Diskussion in der IAEO, aber auch des Sicherheitsrats.« Putin beharrte dagegen darauf, dass die Atomenergiebehörde die Federführung haben solle. Er deutete aber Entgegenkommen an: »Wir werden mit allen unseren Partnern kooperieren.« Putin schloss Sanktionen nicht ausdrücklich aus. Grundsätzlich betonte er, der Iran müsse die Möglichkeit haben, die Kernenergie friedlich zu nutzen. Merkel kündigte an, dass für Anfang Mai voraussichtlich ein Treffen der Außenminister der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats mit Deutschland geplant seien. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 28.04.2006