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Auf der Suche nach Einsichten

Mediziner diskutieren in Bad Oeynhausen über Untersuchungen im Sport

Von Oliver Kreth
Bad Oeynhausen (WB). Auch bei einem Olympiasieger setzte sich die Einsicht nur langsam durch. Waren zu Beginn seiner Karriere für Georg Hettich medizinische Checks nur lästiges Übel, hat er mittlerweile ihren Vorteil erkannt.

Der Gold-Gewinner der Winterspiele von Turin in der Nordischen Kombination war der Stargast beim VII. Symposium »Heart and Competitive Sports« im Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen. Seit Freitag diskutieren Mediziner da die Fragen: Was ist machbar bei Gesundheitsuntersuchungen im Leistungssport, was ist sinnvoll, was erforderlich?
Für Hettich, er studiert neben dem Leistungssport Medizintechnik, sind die Zahlen und Werte, die bei den mindestens drei Mal pro Jahr durchgeführten Untersuchungen erhoben werden, hilfreich in der Trainingsgestaltung. Hettich: »Vor Turin haben wir zum Beispiel festgestellt, dass meine Werte auf eine Frühform hindeuten. Deshalb haben wir einen Gang rausgenommen.« Der Erfolg gibt Athlet, Trainer und Untersuchung recht: Aus Turin reiste der 27-Jährige mit einem kompletten Medaillensatz ab.
Ein weiteres zentrales Thema der Diskussionen wurde durch die Fifa angeschoben. Der Weltfußball-Verband fordert bei der WM vom 9. Juni bis 9. Juli von allen teilnehmenden Kickern eine Unbedenklichkeitserklärung. So weit ist in Deutschland bisher nur das Eishockey. Dort werden Lizenzen nur nach einem umfassenden Gesundheitscheck gewährt. Roland Strich, Chef der Deutschen Eishockey Ärzte e.V.: »Seit 2000 ist das nicht nur in der ersten Liga eingeführt. Am Anfang gab es Schwierigkeiten wegen der Kosten. Denn bei 20 bis 25 Spielern à 600 Mark kommt doch einiges für die Vereine an finanziellen Belastungen zusammen.« Maßstäbe hat das Eishockey auch dadurch gesetzt, dass ein automatischer Defibrillator während eines Spiels im Stadion sein muss.
Diese Beispiele sollen auch im Handball Schule machen. Dafür machen sich Symposiums-Initiator Klaus-Peter Mellwig, Leiter der sportkardiologischen Abteilung des Herz- und Diabeteszentrums NRW, und Berthold Hallmaier, Mannschaftsarzt der deutschen Männer-Nationalmannschaft, stark. Ob es noch vor der WM in Deutschland klappt, bezweifeln sie. Hallmaier: »International haben wir große Probleme. Gerade in Afrika. Wir müssen ihnen klar machen, dass es uns nicht um die Ausforschung ihrer Technik und Taktik, nicht um einen Einblick in die Leistung der Teams geht, sondern um die Gesundheit der Sportler.« Dabei würde man ihnen auch logistisch helfen. Mellwig: »Wir könnten die Untersuchungen in Deutschland durchführen, auch hier im Herzzentrum in Bad Oeynhausen.«
Einig waren sich die Mediziner auch, dass sie sich im Spannungsfeld zwischen Sportlern, Trainern, Funktionären, Managern und Finanzen bewegen müssen. Auf Unverständnis stößt bei ihnen vor allem, dass Sportler problemlos 150 Euro für einen Laufschuh ausgeben, diese Summe aber nicht bereit sind, in einen Gesundheitscheck zu investieren. Oder Fußball-Regionalligisten, die pro Saison mehr Geld fürs Tapen ausgeben als ein Komplett-Test des gesamten Kaders kosten würde.
Einer Frage müssen sich aber auch die Mediziner stellen: Wie glaubwürdig sind medizinische Parameter, wenn sie bei Langläuferin Evi Sachenbacher während der Spiele in Turin zu einer Sperre führen, sie aber als Biathletin hätte starten dürfen?

Artikel vom 29.04.2006