28.04.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Mensch und Natur nicht hemmen«

Heute im Gespräch: Der FDP-Landesvorsitzende Prof. Andreas Pinkwart

Bielefeld (WB). Die NRW-FDP will mit »deutlich reduziertem Ordnungsrecht« in der Umweltpolitik neue Wege gehen. Zur Weichenstellung beim Parteitag am Samstag in Wuppertal befragte Reinhard Brockmann FDP-Landeschef Andreas Pinkwart.FDP-Landeschef Andreas Pinkwart

Für Rot-Grün liest sich Ihr Umweltpapier wie: die Ökologie wird der Ökonomie jetzt schutzlos ausgeliefert.Pinkwart: Nein, aber weder Mensch noch Natur dürfen in ihrer Entwicklung durch Überregulierung gehemmt werden. Die Natur verändert sich. Umweltpolitik muss sich mit technischen Innovationen auch in den Dienst des Umweltschutzes stellen.

»Kontrolleur der Kontrolleure sein«, lautet ein Ziel. Schießen Sie nicht darüber hinaus, wenn Sie Beiräte und Stellen in der Umweltverwaltung streichen?Pinkwart: Es geht nicht ums Konservieren sondern auch um wirksamen Schutz. Verkehrsstaus abzubauen, ist effektiver Abbau von massiven Belastungen der Umwelt. Gleichzeitig können durch neue Brennstoffe oder Antriebstechnologien Abgas- und Lärmbelastungen reduziert werden. Beides zusammen ist wirksamer, als das, was die Grünen hier in NRW lange betrieben haben. Auch der frühere SPD-Verkehrsminister Franz-Josef Kniola hat den Autoverkehr bewusst schikaniert, um die Menschen zum Umsteigen zu zwingen. Das hat zu Belastungen der Natur geführt, aber kein Problem gelöst.

Bei Baumaßnahmen schlagen Sie ein Ersatzgeld statt der Schaffung von Ausgleichsflächen vor. Das klingt nach Freikaufen.Pinkwart: Niemand soll billig davon kommen. Die Zahlung bemisst sich nach dem Flächenausgleich an anderer Stelle. Durch Entkoppeln kann ich schneller handeln. Projekte müssen nicht mehr 30 Jahre dauern. Naturschutz soll nicht billiger sein, sondern eher umgesetzt werden.

Schaffen ausgerechnet die Gelben die gelbe Tonne ab?Pinkwart: Vom Farbenspiel her müssten wir eigentlich gegen Grüne Tonnen antreten. Im Ernst: Die technische Trennung von Abfall ist inzwischen besser als das Sortieren in Haushalten. Dadurch verringere ich Logistikkosten und gewinne mehr Rohstoffe zurück. Einnahmen aus dem grünen Punkt könnten am Ende die Gebühren für graue Tonnen sogar senken.

Sind Ihre bundespolitischen Forderungen von den Lohnnebenkosten bis zum liberalen Gesundheitsmodell auf Landesebene handhabbar?Pinkwart: Zugunsten der grünen Gentechnik etwa können wir im Bundesrat initiativ werden. Wir wollen die Lebensqualität durch weiter verbesserte Lebensmittel und umweltverträglichere landwirtschaftliche Erzeugung nachhaltig gestärkt sehen. An anderer Stelle unterstützen wir Bundesministerin Schavan beim Ausbau der Forschung zur Kernsicherheit. In Aachen/Jülich sollen NRW-Kompetenzen auf diesem Gebiet wieder ausgebaut werden.

Für einen anderen Satz dürften Sie eher in der SPD Verbündete finden, nämlich: »Die FDP unterstützt die Forschung mit menschlichen Stammzellen.«Pinkwart: Das heißt nicht, dass alles erlaubt wird, was möglich ist. Aber wir haben eine sehr enge Gesetzgebung. Wir halten die derzeitige Stichtagsregelung für den Verbrauch von importierten Stammzellen für nicht hinreichend für unsere Forscher. Deutsche Wissenschaftler geraten sogar in eine rechtliche Grauzone, wenn sie auf europäischer Ebene an Stammzellprojekten mitarbeiten, weil in anderen Ländern mehr rechtliche Möglichkeiten bestehen.
Für Ihren Landesgeneralsekretär sind die neuen SPD-Leitgedanken »anschlussfähig« zum FDP-Programm. Für Sie auch?Pinkwart: Aus meiner Sicht wird sich die SPD auf Landesebene noch lange mit sich selbst beschäftigen. Auf Bundesebene kommt mit Kurt Beck einer, der die Stigmatisierung gegenüber der FDP aufheben wird. Das finde ich gut. Programmatisch ist die SPD über ihre rot-grün verklärte Phase noch nicht hinweggekommen. Mit Steuererhöhungen und mehr Staat wird man den Herausforderungen der Zukunft nicht gerecht.

Die Rede ist auch vom »sozialen Liberalismus«, was ist das?Pinkwart: Gerade mit einem freiheitlichen Grundansatz kommt man zu den sozialsten Lösungen. Sozial ist für uns in NRW weder Kampfbegriff noch etwas Negatives. Im Koalitionsvertrag haben wir uns die Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft, mit Betonung des Sozialen, zum Ziel gesetzt. Man muss allerdings Marktwirtschaft zulassen, um sozial zu sein.

Artikel vom 28.04.2006