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Schulschwänzer sollen büßen

Forderung nach Strafgeld und Sozialstunden schon für 14-Jährige

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). In Nordrhein-Westfalen sollen Jugendliche von 14 Jahren an selbst für die Einhaltung der Schulpflicht verantwortlich gemacht und bei Verstößen bestraft werden. Derzeit können nur gegen die Eltern von Schulschwänzern Bußgeldverfahren eingeleitet werden.

Erst von Beginn der Berufsschulpflicht an tragen die Schüler selbst die Verantwortung für Schulversäumnisse. Eine entsprechende Änderung des Schulgesetzes ist im Rahmen des Bürokratieabbaus von der Modellregion Ostwestfalen-Lippe vorschlagen worden. Das Land werde nun prüfen, ob der Vorschlag in der Modellregion OWL getestet oder landesweit umgesetzt werden könne, sagte die Sprecherin des NRW-Innenministeriums Dagmar Pelzer dieser Zeitung. Der Sprecher von Schulministerin Barbara Sommer (CDU/Bielefeld), Oliver Mohr, sprach am Freitag von einem interessanten Vorschlag aus OWL.
Nach Angaben der OWL Marketing GmbH hätten Eltern oftmals keinen großen Einfluss mehr auf den Schulbesuch ihrer heranwachsenden Kinder. Würden die Jugendlichen hingegen bei einer Pflichtverletzung selbst zur Rechenschaft gezogen, könne die Zahl der Schulschwänzer und Schulverweigerer und somit auch der Schulabgänger ohne Abschluss verringert werden.
Die Reduzierung von Unterrichtsversäumnissen sei auch ein Beitrag zur Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit von Schülern, die aus Sicht der Wirtschaft dringend notwendig sei. Ein Bußgeldverfahren gegen Schulschwänzer sei zudem ein wirksames Mittel zur Eindämmung von Kinder- und Jugendkriminalität. Bei den Bußgeldverfahren sollten die Amtsgerichte die Möglichkeit erhalten, statt Zahlung eines Geldbetrages auch die Ableistung von Sozialstunden anzuordnen.
Nach Angaben des Deutschen Jugendinstituts (DJI) in München schwänzen in Großstädten bis zu 15 Prozent der Schüler den Unterricht. In anderen Regionen liege die Zahl hingegen nur bei drei Prozent. DJI-Expertin Elke Schreiber: »Wir gehen davon aus, dass bundesweit durchschnittlich zehn Prozent der mehr als zwölf Millionen Schüler die Schule schwänzen.« Erschreckend sei, dass immer mehr jüngere Kinder der Schule fernblieben. Vor allem in der Grundschule seien viele Lehrer mit einer solchen Situation überfordert.
Nach Angaben von Jugendforscher Klaus Hurrelmann (Universität Bielefeld) hat sich in den vergangenen fünf Jahren der Trend verschärft, dass immer jüngere Kinder eigenmächtig dem Unterricht fernbleiben. Auch die absolute Zahl der Schulschwänzer sei gestiegen. Besonders betroffenen seien Haupt- und Berufsschulen. Es sei eine Dimension erreicht worden, die sofortiges Handeln erfordere. Die Schule müsse auf jeden Fall von Schwänzen unverzüglich reagieren. Das Fernbleiben vom Unterricht müsse als Signal begriffen werden, dass im Umfeld des Schülers etwas nicht stimme.
Vielfach sei die Familie des betroffenen Kindes aus dem Tritt geraten. Würden diese Signale, die auf ein Abrutschen auf die schiefe Bahn hindeuteten, nicht beachtet, eskaliere die Situation. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 29.04.2006