05.05.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ein Hilfsangebot an Klinsmann

WM-Paten (Folge 23): Paderborner »Perso-Westfale« Dr. Nima Mehrdadi

Von Elmar Neumann
und Wolfram Brucks (Foto)
Paderborn(WB). Iraner sind in der Regel ausgesprochen höfliche Menschen. Das trifft auch auf Dr. Nima Mehrdadi zu. Wenn Hilfe benötigt wird, bietet der 33-Jährige seine Tatkraft selbstverständlich an. Auch Jürgen Klinsmann könnte auf die Unterstützung des Paderborners zählen. Allein der Bundestrainer müsste den ersten Schritt tun.

»Jürgen Klinsmann kann mich gerne mal anrufen. Dann stelle ich ihm unser Konzept vor, für das wir jetzt mit dem Aufstieg in die erste Liga belohnt worden sind. Ein paar Tipps scheint die deutsche Mannschaft noch gebrauchen zu können«, sagt Mehrdadi. Mit »unser Konzept« meint der Sportdirektor das Erfolgsrezept des BBL-Neulings Schröno Paderborn Baskets, der seit 50 Meisterschaftsspielen ungeschlagen ist und sich bereits fünf Spieltage vor Saisonende das Ticket für die Elite-Liga verdiente.
»Entscheidender Baustein ist die Kontinuität. Wir haben unsere Mannschaft in den vergangenen Jahren nur punktuell verstärkt und waren einfach wesentlich besser aufeinander abgestimmt als die Konkurrenten. Einen solchen Roten Faden habe ich bei der deutschen Nationalmannschaft in den vergangenen Monaten leider vermisst«, sagt der Deutsch-Iraner.
Mehrdadi sagt leider und meint leider. 1983 samt Familie in Deutschland eingewandert, bezeichnet sich der Diplom-Ingenieur selbst als »Perso-Westfale«. Ein Ausdruck, der erahnen lässt, was er so formuliert: »In meiner Brust schlagen zwei Herzen. So, wie ich sowohl im Iran als auch in Deutschland Heimweh verspüre, sind mir auch die Nationalteams beider Länder wichtig.«
Sollte es zum direkten Duell kommen (frühestens im Viertelfinale möglich), drückte Mehrdadi seinem Heimatland die Daumen, in allen anderen Begegnungen ist er Deutschland-Fan - wie 90 Prozent aller Iraner. Stars wie Ali Karimi, »Asiens Fußballer des Jahres« in Diensten des FC Bayern München, der ehemalige Bielefelder Ali Daei, Hamburgs Medi Mahdavikia, Hannovers Vahid Hashemian oder der Lauterer Ferydoon Zandi haben das persische Interesse an der Bundesliga und die Sympathie für Deutschland extrem wachsen lassen, aber auch die Wettbewerbsfähigkeit der iranischen Nationalmannschaft erheblich erhöht. »Die Spieler sammeln im Ausland wichtige Erfahrungen, sind zum Großteil Leistungsträger in ihren Vereinen. Daraus schöpfen sie viel Selbstbewusstsein, das sich auf die Nationalelf überträgt.«
Ein ganzes Land hofft nun, dass sich diese breitere Brust nach dem frühzeitigen Abschied bei den bisherigen WM-Auftritten 1978 in Argentinien und 1998 in Frankreich (jeweils Aus in der Vorrunde) bei der Weltmeisterschaft in Deutschland auch in den Ergebnissen widerspiegelt. »Der Stellenwert des Fußballs im Iran ist unglaublich hoch. Schon nach der Qualifikation haben sich unbeschreibliche Szenen abgespielt. Ich wage mir gar nicht auszumalen, was passiert, wenn das Team erstmals die Vorrunde überstehen sollte.«
Mexiko, Portugal und Angola lauten die Gruppengegner des dreifachen Asienmeisters, der 1998 mit einem prestigeträchtigen 2:1-Sieg gegen die USA für Furore sorgte. Damals war Mehrdadi auf Heimatbesuch und sah seine Landsleute auf Straßen und Autos tanzen: »Das ist mit Jubelszenen in Deutschland nicht zu vergleichen. Millionen haben gefeiert, Geschäftsleute ihre Ware verschenkt, Bäckereien Kuchen unter den Menschen verteilt - das muss man erlebt haben, um es zu glauben.«
Damit sich solche Darbietungen nach dem letzten Spiel der WM-Gruppe D, am 21. Juni gegen Angola, wiederholen, müsse das Team von Nationalcoach Branko Ivankovic vor allem die Probleme mit der landestypischen Mentalität umdribbeln. »Insbesondere 1998 haben sich die Nationalspieler ihre Höflichkeit auch auf dem Fußballfeld erhalten. Wenn sie diese schwere Gruppe überstehen wollen, gilt es diesen übergroßen Respekt abzulegen«, sagt Dr. Nima Mehrdadi. Abseits des grünen Rasens indes wird auch er seine Höflichkeit wahren - Bundestrainer Jürgen Klinsmann kann sich weiterhin sehr gerne melden.

Artikel vom 05.05.2006