04.05.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Den Sieg mit Gallo Pinto feiern

WM-Paten (Folge 22): Inés Barahona-Wanke stammt aus Costa Rica

Von Peter Monke
und Markus Poch (Foto)
Bielefeld (WB). Wenn am 9. Juni das Eröffnungsspiel der Fußball-WM angepfiffen wird, drückt Inés Barahona-Wanke (48) aus Bielefeld-Quelle beiden Mannschaften die Daumen. Insgeheim hofft die gebürtige Costaricanerin, die seit zwölf Jahren in Deutschland lebt, jedoch auf die große Sensation -Êden Sieg des Außenseiters über den WM-Gastgeber.

Für Costa Rica ist es die dritte WM-Teilnahme. 1990 in Italien waren die Kicker aus Mittelamerika erstmals dabei. »Damals hat die Volksseele vor Begeisterung gekocht«, erzählt Barahona-Wanke. Bei Spielen der eigenen Elf habe niemand gearbeitet. Alle Geschäfte blieben geschlossen. »Mein Chef hat sogar einen Fernseher in die Firma gestellt, damit wir zusammen mitfiebern konnten.« Mit Erfolg: Erst im Achtelfinale war seinerzeit Schluss - 1:4 gegen die Tschechoslowakei.
Diesmal reicht schon allein die Beteiligung am Eröffnungsspiel gegen Deutschland, um die »Ticos«, so der Spitzname für die Bewohner Costa Ricas, in einen wahren Freudentaumel zu stürzen. Denn neben der eigenen Elf und den südamerikanischen Fußballgiganten Brasilien und Argentinien genießen die deutschen Kicker in Costa Rica die höchsten Sympathien. »Namen wie Franz Beckenbauer kennt man bei uns in jedem Bergdorf«, sagt Barahona-Wanke.
Ganz so fußballverrückt wie viele ihrer Landsleute ist die 48-Jährige nicht. Nur bei Weltmeisterschaften ist sie kaum zu bremsen: »Dann schaue ich so viele Spiele wie möglich.« Nebenbei verfolgt sie außerdem das Ligageschehen in Costa Rica, wo die Meisterschaft meist zwischen den beiden Großklubs »Deportivo Saprissa« und »Liga Deportiva Alajuelense« ausgespielt wird.
Barahona-Wanke hält es mit »Saprissa«, dem Klub aus ihrer Heimatstadt San José, gleichzeitig die Hauptstadt Costa Ricas. In diesem Jahr die richtige Wahl. Gegen den Erzrivalen aus Alajuela gelang ihrer Lieblingsmannschaft durch zwei Tore von Stürmerstar Walter Centeno im Finale ein 2:1.
Bevor sie im März 1994 für ihre große Liebe nach Deutschland kam, arbeitete Barahona-Wanke in San José als Architektin. Ehemann Michael, ein gebürtiger Bielefelder, lernte sie 1992 über ihren damaligen Chef kennen. »Er war mit Michaels Onkel befreundet, der in Costa Rica mehrere Textilfabriken leitete.« Auf Partys sei man sich näher gekommen. Da sie kein Deutsch und er kaum Spanisch sprach, konnte die Kommunikation zunächst nur auf Englisch funktionieren.
An ihre neue Heimat Deutschland konnte sich Barahona-Wanke anfangs nur langsam gewöhnen. »Außer ÝGuten TagÜ und ÝDankeÜ kannte ich kein Wort, konnte mich kaum verständigen.« Kontakte zu Deutschen habe sie nur schwer knüpfen können, weil viele Menschen zunächst sehr distanziert gewesen seien. Noch dazu war ihr Mann, der für eine Möbelspedition arbeitet, oft auf Reisen. »Da habe ich mich manchmal schon etwas einsam gefühlt.«
Heute ist die Mittelamerikanerin dagegen gut integriert. Mehrere Sprachkurse an der Volkshochschule Bielefeld und die Geburt ihrer Tochter Laura (7) halfen ihr dabei, in Deutschland richtig Fuß zu fassen. Gleich mehrere Einladungen hat sie aus ihrem Freundeskreis für den Tag des Eröffnungspiels erhalten, auch von deutschen Bekannten. Ob sie eine annehmen wird, weiß sie noch nicht: »Wenn Costa Rica zu hoch verliert, ist es besser, wenn ich mir das Spiel alleine anschaue.«
Sollte es wider Erwarten jedoch zur Sensation kommen, will Inés Barahona-Wanke auf jeden Fall ein wenig feiern. Nicht wie in Costa Rica, wo die Straßen dann voll mit Menschen sein werden, aber vielleicht mit einem guten Essen aus ihrem Heimatland. Zum Beispiel mit »Gallo Pinto«, der Leib- und Magenspeise ihrer ganzen Familie, aus Reis, schwarzen Bohnen und saftigen Zwiebeln.

Artikel vom 04.05.2006