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Stallpflicht zunächst bis 12. Mai

Kurzfristige Verlängerung - Beratungen über Ausnahmeregelungen

Von Ernst-Wilhelm Pape
Delbrück (WB). Die Proteste der Bundesländer waren erfolgreich: Der ursprüngliche Plan von Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU), die Stallpflicht für Geflügel zum Schutz vor der Vogelgrippe auf unbestimmte Zeit zu verlängern, ist seit gestern vom Tisch.
Eckhard Uhlenberg: Vielen Betrieben steht das Wasser bis zum Hals.
Der Nationale Krisenstab, der auf Bitten des Landes Nordrhein-Westfalen gestern nach Bonn einberufen wurde, hat eine kurzfristige Verlängerung des Stallgebots nur bis zum 12. Mai beschlossen. »Damit haben Bund und Länder mehr Zeit, über Ausnahmegenehmigungen von der Stallpflicht zu verhandeln«, sagte gestern Abend die Sprecherin des NRW-Landwirtschaftsministeriums, Sabine Raddatz, dieser Zeitung. Dem Nationalen Krisenstab gehören Vertreter des Bundeslandwirtschaftsminiseriums, der Länder und der Geflügelwirtschaftsverbände an.
Die Länder hatten der unbefristeten Verlängerung der Stallpflicht widersprochen, da dies zu massiven wirtschaftlichen Problemen in Kleinbetrieben, in der Freilandhaltung sowie auf Biohöfen geführt hätte. Raddatz: »Bund und Länder wollen in den kommenden zwei Wochen noch einmal ausführlich über praktikable Regelungen für die Geflügelhalter sprechen.«
NRW-Landwirtschaftsminister Eckhard Uhlenberg (CDU) zeigte sich zuversichtlich, Erleichterungen für die Geflügelzüchter zu erreichen. Die Betriebe seien zum Teil bereits in existenzbedrohenden Situationen. Uhlenberg: »Vor allem den Kleinbetrieben in Ostwestfalen-Lippe steht das Wasser bis zum Hals, hier müssen wir eine Lösung finden.« Auch für Freilandhaltung und Biolandbau wolle NRW nach Möglichkeiten suchen, damit die Tiere möglichst schnell wieder ins Freie könnten.
Uhlenberg hat bereits vorgeschlagen, eine Stallpflicht anzuordnen, die sich am Risiko orientiert. Risikozeiten seien zum Beispiel die Wochen der Wildvogelzüge im Herbst und im Frühjahr. Als Risikogebiete gelten Rastplätze für Zugvögel wie in den Weserauen oder am Niederrhein.
Für den Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV) in Münster ist es völlig unverständlich, dass Schutzmaßnahmen gegen die Geflügelpest nach wie vor nicht europaweit abgestimmt werden. Sowohl in Bezug auf die Stallpflicht als auch in Bezug auf die Impfung werde in den EU-Mitgliedsstaaten unterschiedlich vorgegangen. Dies sei den betroffenen Geflügelhaltern nicht zu vermitteln, sagte Herbert Quackernack vom WLV.
Aus rechtlichen Gründen könne eine Stallpflicht nur bis zum 16. August verhängt werden, erklärte Dr. Manfred Pöppel (51), Fachtierarzt für Geflügel aus Delbrück-Anreppen (Kreis Paderborn), dieser Zeitung. Außer in Deutschland gebe es eine Stallpflicht nur noch in einigen Gebieten Frankreichs. Es sei notwendig, die Gründe für eine generelle Stallpflicht alle vier Wochen neu zu bewerten.
Die Interessengemeinschaft (IG) freier OWL-Geflügelzüchter gibt zudem zu bedenken, dass trotz infizierter Wildvogelfunde in Polen und Italien, wo nicht konsequent auf ein Stallpflicht gesetzt wurde, bisher keine Nutzgeflügelbestände erkrankt seien. IG-Sprecher Eckhardt Brinkmann aus Delbrück: »Bei der hohen Risikoeinschätzung ist das eigentlich verwunderlich.«

Artikel vom 27.04.2006