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Gericht: Anruf beim Amt reicht

Behörde ohne Anspruch auf Brief

Von Christian Althoff
Gütersloh (WB). Ein Arbeitsloser, der eine Stelle gefunden hat, braucht dieses der Arbeitsagentur nicht schriftlich mitzuteilen. Ein Anruf sei völlig ausreichend, hat das Oberlandesgericht Hamm jetzt entschieden und einen Maurer aus Gütersloh vom Vorwurf des Betruges freigesprochen.

Der Mann war einige Monate arbeitslos gewesen und hatte entsprechende Leistungen von der Arbeitsagentur in Gütersloh erhalten. Als er bei einer Firma in Steinhagen eine neue Stelle fand, teilte seine Ehefrau dies nach eigenen Angaben der Arbeitsagentur telefonisch mit. Dennoch gingen in den beiden folgenden Monaten noch 1750 Euro auf dem Konto des Maurers ein. Erst nach einem weiteren Anruf der Ehefrau stoppte die Agentur ihre Überweisungen. Das zuviel gezahlte Geld hatte das Ehepaar allerdings bereits ausgegeben.
Die Behörde zeigte den Mann an, weil den Mitarbeitern nichts von dem angeblich ersten Anruf der Ehefrau bekannt war. Das Amtsgericht Bielefeld erließ daraufhin einen Strafbefehl wegen Betruges über 500 Euro. Der Maurer legte Einspruch ein und ließ es auf einen Prozess ankommen. Weil die Aussage der Ehefrau, sie habe die Behörde telefonisch über den neuen Arbeitsplatz informiert, nicht widerlegt werden konnte, wurde der Betrugsvorwurf nicht aufrechterhalten. Der Amtsrichter verurteilte den Maurer allerdings wegen einer Ordnungswidrigkeit. »Unabhängig von den Telefonaten war er zu einer schriftlichen Mitteilung an die Arbeitsagentur verpflichtet«, heißt es in dem Urteil. Dies habe der Maurer »grob fahrlässig nicht beachtet«.
Gegen die Verurteilung ging der Anwalt des Handwerkers beim Oberlandesgericht in Revision und hatte Erfolg: Er wurde freigesprochen. Die Hammer Richter wiesen darauf hin, dass das Sozialgesetzbuch keine bestimmte Form für eine Mitteilung an die Behörde vorsieht. Eine Mitteilung könne deshalb mündlich, schriftlich oder telefonisch erfolgen. Hinweise im Gesetz auf die Benutzung bestimmter Formulare seien lediglich eine »Sollvorschrift«. Dass die Arbeitsagentur in diesem Fall trotz des Anrufes der Ehefrau weiter gezahlt habe, könne dem Maurer nicht zur Last gelegt werden. »Er war nicht einmal verpflichtet, sich nach den Zahlungseingängen erneut bei der Behörde zu melden, wenn er davon ausgehen konnte, dass seine erste Mitteilung die Agentur erreicht hatte«, schrieben die Richter.
Werner Marquis, Sprecher der Landesarbeitsagentur: »Auch wenn telefonische Mitteilungen möglich sind: Wir empfehlen bei erheblichen Änderungen der Verhältnisse wie etwa einer Arbeitsaufnahme die schriftliche Form.«
Das zuviel kassierte Geld musste der Maurer zurückerstatten.

Artikel vom 27.04.2006