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Heitland lässt die Gedanken laufen

Ein Vorbild, das nie ein Siegertyp war

Von Hans Peter Tipp
Bielefeld (WB). Der Gartenschuppen ist Manfred Heitlands Reich. Uwe Seeler und Franz Beckenbauer lächeln in der schummrigen Enge von alten Kicker-Postern. An einem Nagel verstaubt ein Paar Laufschuhe. »Meine ersten«, sagt der 70 Jahre alte Besitzer stolz. Darin absolvierte er 1971 den allerersten Hermannslauf und fluchte wie ein Rohrspatz: »Das tue ich mir nicht wieder an.«

Natürlich war er am Sonntag wieder dabei. Zum 32. Mal. Drei Läufe hatte er wegen eines Bandscheibenvorfalls Ende der 90er Jahre verpasst - ansonsten gäbe es nicht vier »Hermänner«, die stets am Start standen, sondern fünf.
Dennoch zählt der Veteran aus Hillegossen bei der mittlerweile 31,1 km langen Willensprüfung im Teutoburger Wald zum Inventar. Und natürlich hat er sich auch gestern geschworen: »Das tue ich mir nicht wieder an.« Im Schopketal. Dort, wo es allen am schwersten fällt, durchzuhalten.
Aber natürlich kam der Hillegosser doch ins Ziel. Mit einem Lächeln. Und das nach gut viereinhalb Stunden. Eine tolle Leistung für einen, der sich vor fünf Jahren mit eisernem Willen wieder in Form bringen musste. »Ich bin ein Kämpfer, einer der nicht aufgibt«, sagt Heitland über sich. Das war er schon immer.
Das schnelle Laufen muss er seither den Jüngeren überlassen. Früher hat er vor dem Hermann noch bei den Alten Herren des TuS Hillegossen gekickt. Heute zählt Heitland, seit 1995 Rentner, zu den knapp 700 Wanderern, die das bunte Bild des Volkslaufes mitprägen. Eines aber ist geblieben: Heitlands vorbildliche Einstellung zum Wettlauf im Wald: »Ich bin Volksläufer mit Leib und Seele; kein Gewinner, aber beständig.«
Das beständig Besondere beim Hermann ist auch für den 70-Jährigen nicht das Ziel, sondern der Weg. Die freie Natur, die hat er früher schon gesucht, um sich von der körperlich belastenden Arbeit in der Färberei zu erholen. Sie ist für Heitland das Größte geblieben: »Wenn ich in der Natur bin, kann ich abschalten. Dann kriege ich neue Kraft. Da spreche ich mit den Bäumen und mit dem lieben Gott. Dieses Abschalten brauche ich.«
Und natürlich lässt ein Routinier wie der 70-Jährige selbst im Lauf die Seele baumeln - vor allem, wenn es auf »meine Lieblingsstadt Oerlinghausen« zugeht. Auf »seinen« Hermann will er auf gar keinen Fall verzichten: »Ich sage jedes Mal: Das war der letzte - und dann bin ich im nächsten Jahr doch wieder dabei.«
Und wenn er nicht läuft? Dann dreht sich im Leben des aktiven Rentners viel ums Rad. Jedes Jahr zieht es ihn nach Mittenwald in die Alpen, zum Bergwandern und anspruchsvollen Biken im Hochgebirge. Von seinen Begegnungen in den Alpen kann er ebenso begeisternd schwärmen wie von seinen Läufen durch den Teuto.
Ein Leben in Bewegung - das könnte das Lebensmotto sein. Manfred Heitland formuliert es lieber so: »Der Sport hat mir in jeder Lebenslage geholfen. Deshalb würde ich auch heute jedem jungen Menschen raten, sich dem Sport zu verschreiben.« Die Worte eines echten Vorbildes, das nie der große Gewinner war.

Artikel vom 01.05.2006