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Ein Symbol
der kirchlichen
Wehrhaftigkeit

Landeskirchenamt besteht 50 Jahre

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Es hat Zeiten gegeben, da war Bielefelds Lokalpolitik stolz auf »ihre« Kirche. Mittlerweile jedoch kann ein Präses beerdigt werden, ohne dass ein Abgesandter der Stadt sich am Grab verneigt. Dabei ist Bielefeld seit genau 50 Jahren »Bischofsstadt«.

Von Anfang an und mit voller Kraft unterstützte Bielefelds Oberbürgermeister Artur Ladebeck (1946-1952 und 1954-1961) eine »revolutionäre« Tat: Als nach dem Krieg die selbständige Evangelische Kirche von Westfalen (EKvW) entstand, meldete Münster als Sitz von Synode und Verwaltung Ansprüche an, denn dort war (am Domplatz) das Konsistorium beheimatet gewesen, das bis 1945 für die Provinz Westfalen die Weisungen aus Berlin umgesetzt hatte.
»Das war kein beliebtes Gremium, mit dem auch die regimekritische ÝBekennende KircheÜ schlechte Erfahrungen gemacht hatte«, sagt Prof. Bernd Hey, der anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Landeskirchenamtes am Altstädter Kirchplatz eine detailreiche, hervorragend zu lesende Festschrift herausgegeben hat: Die »Kirchenleitung in Bielefeld«, im Verlag für Regionalgeschichte erschienen, ist jetzt zum Preis von neun Euro im Buchhandel.
Karl Koch, erster Präses nach 1945, bezog an der Stapenhorststraße ein erstes Büro, später stand ein größeres Gebäude an der Gütersloher Straße 29 (Diakonissenanstalt Sarepta) zur Verfügung. Eine Allianz von Theologen, Juristen und Politikern machte Bielefeld zum »Bischofssitz« (Hey). Denn immerhin leitet der Präses Synode und Verwaltung - seine katholischen Amtsbrüder besitzen kaum größere Machtfülle.
Heute vor 50 Jahren endlich wurde der Neubau am Altstädter Kirchplatz Sitz der Kirchenleitung. »Der Bau dokumentiert die Wehrhaftigkeit, die die evangelische Kirche in schweren Zeiten an den Tag legt«, sagt Hey und verweist auf einen architektonischen Verwandten, den Palazzo Strozzi in Florenz - auch er ein Trutzbau mit »unzugänglichem« Erdgeschoss und streng formal durchbrochenen oberen Etagen.
In Bielefeld rebellierte zwar nicht das Volk, aber Widerstand regte sich doch: Ästheten mit einem an beliebigen Bank- und Kaufhausfassaden orientiertem Allerweltsgeschmack wollten die in Oberfläche und Abmessung unregelmäßigen Quader verhindern. »Aber die Kirche hat sich durchgesetzt«, sagt Präses Alfred Buß stolz. »Jetzt beleben die von unseren Vorgängern ausgesuchten Steine die Front des Gebäudes.«
Selbstbewusstsein in Zeiten des Neuanfangs nach der Katastrophe. Und damals wusste auch die Stadt um das mit dem Kirchensitz verbundene Prestige in ihren Mauern. Heute ahnen die Politiker (und leider auch die meisten Bürger) kaum mehr, was der Prachtbau am Altstädter Kirchplatz symbolisiert: Bielefelds hohen kirchlichen Rang, auf Augenhöhe mit den bischöflichen Metropolen Paderborn, Osnabrück (einst ebenfalls zu Westfalen gehörig) und Münster.

Artikel vom 26.04.2006