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Ägypten im Kampf gegen
Terror schlecht gerüstet

Polizei steht bei der Bevölkerung in schlechtem Ruf

Von Anne-Beatrice Clasmann
Kairo (dpa). Nach den Flugzeugattentaten vom 11. September 2001 sind immer wieder Forderungen laut geworden, dass zum Kampf gegen den islamistischen Terror auch die Auseinandersetzung mit den ideologischen Wurzeln gehört. In Ägypten ist davon jedoch weniger zu spüren als in anderen Staaten der Region.

Ministerpräsident Ahmed Nazif, der gestern Überlebende des Blutbads von Dahab in einem Krankenhaus besuchte, beschränkte sich darauf, die Täter zu »abnormalen Menschen« zu erklären, die der ägyptischen Wirtschaft schaden wollten. Die Frage, warum Terroristen dieses Ziel verfolgen, lässt er unbeantwortet. Auch die Anschläge von Taba und Scharm el Scheich können bisher nach Einschätzung westlicher Diplomaten nicht als aufgeklärt gelten, obwohl mehrere Verdächtige angeklagt wurden und die Polizei bei Gefechten nach eigenen Angaben mehrere Drahtzieher getötet hatte.
Von offizieller Seite hat man bisher lediglich versucht, das Phänomen des Terrors mit staatlicher Gewalt zu bekämpfen - ohne Erfolg, wie die jüngste Bombenserie zeigt.
Das liegt zum einen daran, dass viele der Polizisten, die auf der Sinai-Halbinsel und andernorts in Ägypten Touristen beschützen sollen, schlecht bezahlt und unmotiviert sind. Polizisten fragen Lastwagen- oder Mietwagen-Fahrer, wenn die in Zivil gekleideten Männer von der Staatssicherheit nicht in Sicht sind, schamlos nach »Tee oder Zucker«. Sie nehmen aber auch gerne Zigaretten, kleinere Geldbeträge oder Musikkassetten. Wer seine Ohren vor ihren Wünschen verschließt, riskiert, dass der Polizist an seinem Auto oder in den Papieren einen »Fehler« findet. Während die meisten Ägypter der Armee vertrauen, so hat die Polizei insgesamt einen schlechten Ruf. Auf dem Sinai dürften außerdem die zum Teil willkürlichen Massenfestnahmen nach den letzten Anschlägen das Verhältnis zwischen den Einheimischen und den Sicherheitskräften zerrüttet haben.
Hauptleidtragende der jüngsten Anschläge sind nach den Opfern und ihren Angehörigen die Beschäftigten der Tourismusindustrie von Taba bis Assuan. »Alle Tourismusregionen Ägyptens werden darunter leiden«, meint Tharwat Adschami, Vorsitzender der Tourismuskammer Süd-Sinai.

Artikel vom 26.04.2006