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Mit überhöhten Spesen fängt es an

Studie: Langjährige Mitarbeiter nutzen das Vertrauen der Chefs aus

Bielefeld (dpa). Auch langjährige Mitarbeiter können hinter Ungereimtheiten in der Bilanz oder anderen Wirtschaftsdelikten in Unternehmen stecken. Davor haben die Wirtschaftsprüfer von Price Waterhouse Coopers (PWC) in Bielefeld gewarnt.
Thomas Schäfers: Rotationsprinzip hilft gegen Wirtschaftskriminalität. Mitarbeiter sollen nicht immer die gleichen Aufgaben haben.

Die Expertin Kyung-Hee Kim-Reinartz sagte, gerade in den Chefetagen familiengeführter Unternehmen herrsche zu oft zu großes Vertrauen besonders in Mitarbeiter, die bereits seit längerer Zeit für das Unternehmen arbeiteten.
Rund zehn Jahre im Betrieb, 40 Jahre alt und meistens männlich: so sieht nach einer aktuellen Studie von PWC der »typische Wirtschaftskriminelle« aus. »Das fängt mit kleinen Cent-Beträgen an, und niemand fragt nach, wo das Geld geblieben ist«, sagte Kim-Reinartz, »und der Mitarbeiter fragt sich, was das dem Betrieb mit Millionen-Umsatz schon schaden sollte.« Dabei richteten die in der Fachsprache unter »Fraud« zusammengefassten Delikte zuletzt allein in Deutschland einen Schaden von 5,6 Milliarden Euro jährlich an.
Der Imageschaden für die Unternehmen sei hierbei kaum zu bemessen. »Es ist aber bestimmt keine Wunschvorstellung, wochenlang in den Zeitungen als Betrugsfall aufzutauchen«, sagte die Wirtschaftsprüferin. Sie forderte auch kleinere Unternehmen dazu auf, ein ganzes Bündel von Kontrollen einzubauen. Genaue Ethikgrundsätze oder auch die Möglichkeit der anonymen Information der Inhaber könnten helfen. Das Bewusstsein für die Folgen der Bereicherung auf Firmenkosten sei bei einer großen Zahl von Unternehmen noch nicht ausreichend ausgeprägt.
In vielen Fällen seien erst externe Berater in der Lage, effektiv nach fehlenden Beträgen, überhöhten Spesenrechnungen und ähnlichem zu suchen. Selbst wenn mehr Kontrollen eingebaut werden, sind Korruption oder Bilanzfälschung nach Beobachtungen der Wirtschaftsprüfer nie komplett auszuschließen. So wie die Trainer von Fußball-Vereinen setzt PWC auf regelmäßiges Umstellen der Mannschaft.
»Auch bei uns selbst gilt ein Rotationsprinzip, damit Mitarbeiter nicht immer die gleichen Aufgaben haben«, erklärte Thomas Schäfer von der Bielefelder Niederlassung. Grundsätzlich sei die Gefahr von »Fraud« bei jedem Unternehmen gegeben. Jede Firma müsse letztlich aber für sich entscheiden, ob die Annahme eines Tickets für die Fußball-WM schon zu weit gehe.

Artikel vom 26.04.2006