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Elterngeld gewinnt Zuspruch

Deutsche Mütter nutzen Zeitgewinn mehr als andere gern für sich selbst

Berlin (Reuters/dpa/WB). Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sieht wachsende Unterstützung in der Union für ihre umstrittenen Pläne für ein Elterngeld.
Sie stelle fest, dass die Zustimmung steige, sagte die CDU-Politikerin gestern in Berlin. Sie verwies dabei auf Signale der Ministerpräsidenten aus Niedersachsen, Baden-Württemberg und dem Saarland. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Peter Ramsauer, zeigte sich ebenfalls versöhnlich und schloss nicht aus, dass sich die CSU trotz ihrer ablehnenden Haltung letztendlich doch auf die Pläne der Ministerin einlassen könnte.
Der siebte Familienbericht, den von der Leyen (CDU) in Berlin vorlegte, kritisiert auch die Mütter in Deutschland. »Die geringste Präsenz am Arbeitsmarkt findet sich bei deutschen Müttern, die diese gewonnene Zeit aber nicht in Hausarbeit investieren, sondern in persönliche Freizeit«, heißt es in dem Bericht. Mütter aus Frankreich, Schweden, Norwegen und Finnland würden ähnlich viel Zeit mit ihren Kinder verbringen wie deutsche Frauen. Es seien zwei bis zweieinhalb Stunden am Tag. Mit zwei Stunden und 18 Minuten liegen deutsche Mütter im Mittelfeld.
Der Familienbericht kritisiert zudem die finanziell orientierte Familienpolitik der vergangenen Jahre. »Die finanziellen Aufwendungen haben bis heute nicht dazu beigetragen, dass junge Erwachsene in gleicher Weise wie in Frankreich, Dänemark, Schweden, den Niederlanden und Großbritannien Kinder als Teil einer gemeinsamen Lebensplanung begreifen.« Galt lange die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als wichtiger Grund, warum die Menschen ihre Kinderwünsche nicht realisieren, sehen die Experten nun mit Sorge, dass auch der Wunsch nach Kindern sinkt. Während in anderen europäischen Ländern »die ideale Familie aus der Sicht der 20- bis 34-jährigen Frauen 2,5 Kinder umfassen sollte, sind es in Ostdeutschland 1,6 und in Westdeutschland 1,7 Kinder.« Junge Männer gleichen Alters hielten 1,5 Kinder für ideal, heißt es weiter.
Von der Leyen will ein einkommensabhängiges Elterngeld einführen, das nur dann volle zwölf Monate ausgezahlt werden soll, wenn der Vater sich an der Betreuung des Kindes beteiligt und dafür mindestens zwei Monate im Beruf aussetzt. Der Zuschuss zur Familienförderung soll während der Pause von der Arbeit 67 Prozent des letzten Nettoeinkommens, maximal aber 1800 Euro pro Monat betragen. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) bemängelt, die so genannten Vätermonate schränkten die Wahlfreiheit der Familien ein, wer sich um die Kindererziehung kümmern soll.
Von der Leyen betonte dagegen, das Elterngeld schaffe einen Schonraum zur Erziehung der Kinder. Zudem signalisiere es der Gesellschaft, dass die Erziehungszeit von Vätern und Müttern akzeptiert sei. Außerdem verringere eine solche Leistung Kinderarmut. In keinem der Länder, die seit Mitte der neunziger Jahre ein Elterngeld eingeführt hätten, sei dieses wieder abgeschafft worden.
Ramsauer warb für eine offene Debatte: »Wir müssen dieses Wickel-Volontariat nicht haben. Aber wenn man es ein bisschen unverkrampft angeht, dann ist so ein Anreiz ja gar nicht schlecht.«
Nach Ansicht des Verfassers des Familienberichts, des Soziologen Hans Bertram, wäre ein Elterngeld im Sinne der Verfassung. Es gehe letztendlich auch darum, die Erwerbswelt und die Rolle der Männer zu verändern. Gerade die ersten Lebensjahre eines Kindes seien von großer Bedeutung. Zudem müssten sich Frauen durch ein Elterngeld weniger als bisher nach der Geburt eines Kindes in die ökonomische Abhängigkeit des Mannes begeben. Einer Umfrage zufolge lehnen es 66 Prozent ab, Elterngeld nur dann voll auszuzahlen, wenn auch der Vater wenigstens zeitweise zu Hause bleibt.

Artikel vom 26.04.2006