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Microsoft klagt
gegen Bußgeld

Konzern soll Auflagen erfüllen

Luxemburg (Reuters). Mit einer Marathonanhörung vor den EU-Richtern in Luxemburg hat der Kampf des weltgrößten Software-Herstellers Microsoft gegen Auflagen der EU-Kommission eine entscheidende Phase erreicht.
In einem der größten Kartell-Prozesse in der Geschichte der EU wehrt sich Microsoft gegen den Vorwurf, durch einen Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung beim Betriebssystem Windows Konkurrenten geschadet zu haben. Die EU-Kommission hatte 2004 gegen Microsoft eine Rekord-Strafe von 497 Millionen Euro verhängt. Zu Beginn der Anhörung wies Microsoft-Anwalt Jean-Francois Bellis gestern Vorwürfe der Kommission zurück, Microsoft habe gegen Wettbewerbsrecht verstoßen, indem es sein Multimedia-Programm Media Player in Windows integrierte. Verbraucher profitierten von Verbesserungen bei Windows. Auch gebe es starken Wettbewerb bei audiovisuellen Programmen.
Die EU-Behörde hatte Microsoft in ihrer Entscheidung unter anderem gezwungen, auch Windows-Versionen ohne den Media-Player anzubieten. Diese Windows-Variante wird unter dem Namen XPN angeboten. »Bis heute hat kein Computerhersteller eine XPN-Version ausgeliefert, kein einziger«, sagte Bellis. Dabei machten die vorinstallierten Systeme 90 Prozent aller Windows-Verkäufe aus. Geschäfte hätten lediglich 1787 XPN-Systeme bestellt. Dies sei ein Anteil von 0,005 Prozent.
Bellis warf der Kommission schwere Fehler vor, wenn sie einen Rechtsverstoß darin sehe, dass Microsoft nicht von sich aus ein Produkt angeboten habe, das niemand wolle.
Microsoft-Gegner veröffentlichten in einer Prozesspause eine Erklärung, in der sie die Argumentation zurückwiesen. Als XPN auf den Markt gebracht wurde, habe es bereits keinen bedeutenden Wettbewerb bei den audiovisuellen Programmen mehr gegeben, erklärten sie. Bellis und von ihm benannte Experten sprachen dagegen von einem zunehmenden Wettbewerb. Sie nannten unter anderem das iTunes-Angebot von Apple. Das Portal läuft auf Basis des QuickTime-Programms von Apple. Microsoft gab die Zahl der monatlichen Nutzer in Europa mit sieben Millionen an.
Morgen und am Donnerstag soll Microsoft sich gegen die Kritik der Kommission an seinem Umgang mit anderen Herstellern von Server-Software wehren. Die Kommission warf Microsoft vor, anderen Herstellern nicht zu ermöglichen, ihre Server-Programme mit Software von Microsoft zu verbinden. Der Marktanteil von Microsoft habe beständig zugenommen. Die Kommission will Microsoft deshalb zur Offenlegung von Informationen zwingen. EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes droht mit täglichen Bußgeldern von bis zu zwei Millionen Euro.
Das EU-Gericht der ersten Instanz wird bis Freitag alle Standpunkte anhören. Bis es darüber entscheidet, ob es der Klage Microsofts gegen die EU-Entscheidung stattgibt, dürften Monate oder auch ein Jahr vergehen.

Artikel vom 25.04.2006