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Täglich die Handlung
von 20 Leuten im Kopf

Das Erfinden von Telenovelas und Soaps will gelernt sein

Von Imke Hendrich
Potsdam (dpa). Millionen von Zuschauern sind täglich von ihnen gefesselt, ob sie »GZSZ«, »Julia - Wege zum Glück« oder »Marienhof« heißen.

Bei diesen Daily Soaps und Telenovelas ist vor allem eines gefragt: »Geschichten erzählen am Fließband und dies spannend, unterhaltsam, logisch, ohne einen der zahllosen Fäden zu verlieren«, sagt Anja Weber. Sie ist die Leiterin der »Grundy UFA Serienschule« in Potsdam-Babelsberg. In dieser nach ihren Angaben bundesweit einzigartigen Einrichtung werden Storyliner (Geschichtenerfinder) für eben diese endlos (Daily Soaps) oder immerhin auf 250 Folgen (Telenovelas) angelegten Fernsehformate ausgebildet.
»Mir war es zu Beginn der Ausbildung ganz fremd, wie man sich in ein Soap-Puzzle hineindenken kann«, sagt der 35-jährige Andreas Walker, der früher einmal Philosophie studiert und dann TV-Romane geschrieben hat. Denn schließlich müssten die Storyliner um die 20 Charaktere im Auge behalten, die miteinander - oder auch gegeneinander - agieren. Für jede Folge müsse ein spannender Handlungsbogen entwickelt werden, damit die Zuschauer auch »dran bleiben«. So sitzt dann täglich eine Gruppe von fünf bis sechs Storylinern zusammen, um die Geschichten weiterzuerzählen. »Wir überlegen im Team, wo sind die Personen gerade, und wie kann sich dann die Story dynamisch, logisch entwickeln.«
Und das unter immensem Zeitdruck. Denn pro Woche müssen fünf Folgen erzählt sein. »Bei Soaps sind das meist 23 Minuten je Folge und bei Telenovelas 42«, sagt Petra Bodenbach, Chefautorin der Telenovela »Julia - Wege zum Glück«. Die Storyliner erfinden dafür den Handlungsrahmen - also was, wann, wo passiert und mit wem. »Dieser ist dann die Grundlage für die Dialogautoren«, meint Bodenbach.
Und anders als bei großen Kino- oder Fernsehfilmen müssen die Storyliner für Serien immer die begrenzten Möglichkeiten - vor allem in finanzieller Hinsicht - im Blick haben. »Wir können nicht einfach den Hubschrauber abstürzen lassen«, sagt die Schulleiterin Anja Weber.
Auch der Zeitfaktor spiele eine große Rolle. »Bei einer seriellen Fernsehproduktion muss eine Szene in etwa 20 Minuten abgedreht sein - da darf es keine langen Umbauarbeiten, Lichtspielereien oder auch Textproben geben«, betont Christa Speidel vom Produktionsteam der Telenovela »Julia - Wege zum Glück«. Ob bei Telenovela oder Daily Soap - der Storyliner wirkt im Hintergrund und ist doch mittendrin. »Ich träume von den Figuren - sie verfolgen mich regelrecht«, meint Walker.

Artikel vom 25.04.2006