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Die Hoffnungen ruhen jetzt auf Al-Maliki

Schiitischer Politiker soll irakische Regierung bilden

Bagdad (dpa). Drei Jahre nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein haben Schiiten, Sunniten und Kurden im Irak die Weichen zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit gestellt.
Präsident Dschalal Talabani beauftragte am Samstag den Schiiten-Politiker Dschawad al-Maliki mit der Regierungsbildung. Offen ist, ob es Al-Maliki und den Mitgliedern seiner Regierung, die er innerhalb von 30 Tagen ernennen muss, gelingt, die tägliche Gewalt im Irak einzudämmen, die zu einem offenen Bürgerkrieg zu eskalieren droht.
Der 1950 geborene Al-Maliki war am Freitag mehr als vier Monate nach der Wahl von der Schiiten-Allianz - der stärksten Kraft im neuen Parlament - als Kandidat für das Amt des Regierungschefs bestimmt worden.
Bisher war die Regierungsbildung an der Weigerung von Sunniten und Kurden gescheitert, Übergangs-Ministerpräsident Ibrahim al-Dschafari, den Chef der schiitischen Dawa-Partei, weiter als Regierungschef zu akzeptieren. Al-Maliki ist ein enger Vertrauter al- Dschafaris und die Nummer zwei an der Spitze der Dawa-Partei. Er hatte mehr als zwei Jahrzehnte aus dem syrischen Exil den Widerstand gegen das Saddam-Regime mitorganisiert.
Das Parlament in Bagdad hatte am Samstag zunächst den Kurdenführer Talabani als Präsident bestätigt und den von der arabisch-sunnitischen Konsens-Front aufgestellten Mahmud al-Maschhadani zum Parlamentspräsidenten gewählt.
Damit wurden die höchsten Staatsämter unter den stärksten religiösen und ethnischen Volksgruppen aufgeteilt. US-Präsident George W. Bush würdigte die Einigung auf die Führungspositionen in der neuen irakischen Regierung als »Meilenstein auf dem Weg zur Demokratie«. Die neue Führung repräsentiere die zahlreichen ethnischen und religiösen Gruppen im Irak.
Bush erklärte, die neue Regierung trage große Verantwortung, unter anderem beim Kampf gegen den Terrorismus, dem Aufbau der Infrastruktur und der Stärkung der Wirtschaft. Zusammen mit den Koalitionspartnern und der irakischen Regierung werde Washington jetzt Taktiken und Methoden neu überdenken, um den Sieg im Anti-Terrorkrieg sicherzustellen. US-Außenministerin Condoleezza Rice bezeichnete Al-Maliki als »couragierten und tapferen« Politiker.
Der mit der Regierungsbildung im Irak beauftragte schiitische Politiker Dschawad al-Maliki ist politisch kein unbeschriebenes Blatt. Der aus der schiitischen Pilgerstadt Kerbela stammende Mann mit dem kurz gestutzten Bart und dem ernsten Blick hat sich seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein vor allem als Mitglied der Verfassungskommission und bei der Entbaathifizierungs-Behörde einen Namen gemacht.
Er gilt als hart und durchsetzungsstark. Im Januar 2005 forderte Al-Maliki den säkularen Schiiten Ijad Allawi auf, 15 Namen von seiner Kandidatenliste für die Wahl zu streichen, da die Kandidaten früher Mitglied von Saddams Baath-Partei waren.
Al-Maliki hatte die religiöse schiitische Dawa-Partei, der er seit 1968 angehört, früher im syrischen Exil vertreten. Dorthin war er geflohen, nachdem ihn das Saddam-Regime in den 80er Jahren zum Tode verurteilt hatte.
Der Politiker, der heute die Nummer Zwei an der Spitze der Dawa-Partei ist, war einst für die Dschihad-Brigaden zuständig gewesen, die Guerilla-Aktionen im Irak durchführte.
Indes nimmt die Gewalt im Irak kein Ende. Bei Mörserangriffen nahe der stark gesicherten Grünen Zone in Bagdad wurden gestern fünf Menschen getötet und zwölf weitere verletzt. Nach Angaben von Augenzeugen schlugen die Granaten unmittelbar neben einem Tor des Verteidigungsministeriums nur wenige Meter vor der Einfahrt zur Sicherheitszone ein.

Artikel vom 24.04.2006