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Potsdam: DNA-Spuren
erhärten Tatverdacht

Zweifel am Motiv - Schönbohn kritisiert Generalbundesanwalt

Potsdam/Karlsruhe (dpa/Reuters). Eine Woche nach dem brutalen Angriff auf einen Deutsch-Äthiopier in Potsdam hat sich der Tatverdacht gegen die beiden Beschuldigten nach Angaben der Bundesanwaltschaft erhärtet.Ein Tatverdächtiger vor dem Verhör in Karlsruhe.

Der 30-jährige Verdächtige komme neben dem Opfer als Urheber der DNA-Spuren auf den am Tatort gefundenen Bierflaschen-Scherben in Betracht, teilte Generalbundesanwalt Kay Nehm gestern mit. Der zweite Beschuldigte sei zudem »wahrscheinlich einer der Sprecher« auf der Telefon-Mailbox der Ehefrau des Opfers.
Während die Bundesanwaltschaft weiter an einem fremdenfeindlichen Motiv festhielt, kamen Zweifel an einem solchen Hintergrund der Tat auf. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) kritisierte, dass Nehm die Ermittlungen an sich gezogen hat. Die Hinweise auf einen rechtsextremen Hintergrund der Tat seien zumindest fragwürdig, sagte der CDU-Politiker.
Möglicherweise könnte es sich auch um einen eskalierten Streit zwischen Betrunkenen gehandelt haben, berichteten mehrere Zeitungen. Unbestätigten Berichten zufolge hatte das Opfer zum Tatzeitpunkt am Ostersonntag mehr als zwei Promille Alkohol im Blut und soll die mutmaßlichen Täter provoziert haben. Der 37-jährige Deutsche äthiopischer Herkunft befand sich gestern weiter in Lebensgefahr, sein Zustand hat sich jedoch leicht gebessert. Er atme zum Teil wieder aus eigener Kraft mit Unterstützung des Beatmungsgeräts, sagte der Geschäftsführer des Ernst-von-Bergmann-Klinikums in Potsdam, Wilhelm Kahle.
Der Wasserbau-Ingenieur hatte bei dem Angriff ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten und befindet sich im künstlichen Koma. Nehm zufolge erlaubt es der Zustand des Mannes zurzeit nicht, alle Verletzungen durch rechtsmedizinische Untersuchungen sicher feststellen zu lassen. Gegen beide Beschuldigte war am Freitag Haftbefehl wegen des Verdachts des versuchten Mordes erlassen worden. Sie befinden sich in Untersuchungshaft. Ein Angreifer hätte dem Ingenieur einen einzigen, wuchtigen Faustschlag versetzt und ihm dadurch den Schädelknochen an einem Auge zertrümmert.
Der Anwalt des 29-jährigen Verdächtigen hat die Vorwürfe gegen seinen Mandanten zurückgewiesen. Die auf der Handy-Mailbox der Frau des Opfers festgestellte Stimme könne nicht von dem 29-Jährigen stammen, da er seit Wochen an einer Kehlkopfentzündung leide und nur krächze, sagte Rechtsanwalt Veikko Bartel. Dagegen erklärte Nehm, die Untersuchung der Stimmaufzeichnungen habe ergeben, dass der 29-Jährige »wahrscheinlich« auf dem Mailbox-Mitschnitt zu hören sei.
Laut einem Bericht der »Märkischen Allgemeinen« hat das Opfer die Angreifer vor der Tat mit dem Wort »Schwein« provoziert. Einem »Focus«-Bericht zufolge haben Zeugen erklärt, der Deutsch-Äthiopier habe vor dem Überfall in einer nahe dem Tatort gelegenen Discothek eine tätliche Auseinandersetzung mit zwei Personen gehabt.

Artikel vom 24.04.2006