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Detmolder waren im Recht

Jürgen Udolph: Westfalen prägten England sprachlich

Von Dietmar Kemper
Münster (WB). Detmold heißt übersetzt Volksgericht. »Dort war eine Gerichtsstätte der Germanen«, erzählt Jürgen Udolph. Der Professor für Namenskunde spürt an der Universität Münster die Herkunft westfälischer Ortsnamen auf.
Jürgen Udolph: Gewässernamen sind uralt.
Foto: Korsmeier

Die ersten beiden Bände über die Kreise Lippe und Soest sollen 2007 erscheinen. »Wir müssen in die Sprache hineintauchen, die zur Zeit der Gründung des Ortes prägend war«, sagte Udolph dieser Zeitung. Westfalen sei Bestandteil des niederdeutschen Sprachgebietes und von den Sachsen geprägt worden. Udolph schaut in Urkunden nach, wann ein Ort erstmals erwähnt wurde und welche »Geburtsgeschichte« erzählt wird. Ortsnamen nennt der Wissenschaftler »Fossilien der Sprache«.
Alte germanische Bezeichnungen fänden sich öfter in Westfalen und Niedersachsen als in Skandinavien. Deshalb habe sich die germanische Sprache vermutlich nicht in Nordeuropa, wie von der Wissenschaft bislang behauptet, herausgebildet, sondern in Westfalen. Angesichts »vieler Übereinstimmungen« zwischen Englisch und Germanisch glaubt Udolph, dass »die Besiedler Englands aus Westfalen und Niedersachsen« kamen, als nach dem Ende der römischen Besatzung ein Machtvakuum auf der Insel enstanden war. Etwa 15 000 bis 20000 westfälischen Ortsnamen will Udolph mit seinem Team auf den Grund gehen. Dabei blickt er bis zu 2000 Jahre zurück. »Gewässernamen sind noch älter, teilweise 4000 Jahre«, erläutert Udolph. Paderborn heißt übersetzt »Quelle der Pader«. Aber seit wann von der Pader die Rede ist, liegt im Dunkeln. »Flussnamen waren schon da, bevor das Germanische entstand«, betont Udolph. Die Sprache zuvor wird als Indogermanisch bezeichnet und auf die Periode von ungefähr 5000 bis 1500 vor Christus datiert.
Herrscher gaben den westfälischen Ortschaften in den seltensten Fällen ihren Namen. Manchmal standen einfache Leute Pate. Der Mindener Stadtteil Dankersen heißt übersetzt »bei den Häusern des Denkwartes«, verweist also auf eine Person namens Dankwart. Dortmund, von Udolph als Schlundberg übersetzt, muss eine eindrucksvolle Anhöhe gehabt haben (mund kommt vom lateinischen mons, Berg). Das niederdeutsche Wort beke verweist, wie in Altenbeken, auf einen Bach. Namenskunde interessiert auch Historiker. Hält sich eine Bezeichnung lange Zeit, »spricht dies für Siedlungskontinuität«, sagt Udolph.

Artikel vom 24.04.2006