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Kurios, freundlich, britisch:
Belize ist ein Musterstaat
Regenwald und Korallenriff für Naturfreunde, Garifuna für Musik-Fans
Wenig mehr als sein Name erinnert an die saudi-arabischen Wurzeln von Ibrahim Abdullah. Der freundliche Mann hat sein ganzes Leben in Zentralamerika verbracht und fühlt sich heimisch in Belize, wo er als Biologielehrer unterrichtet hat. Jetzt befindet er sich im Unruhestand.
»Die Regierung hat mir ein paar Quadratmeter Land gegeben, dort züchte ich heimische Tiere, um sie dann auszuwildern.« Abdullahs besondere Liebe gilt den Schlangen, »weil sie vom Menschen zu Unrecht nur als böse und gefährlich wahrgenommen werden«. Wenn er nicht auf seiner kleinen Farm arbeitet oder mit seinen Tieren in die Schulen von Belize City geht, dann nutzt er die Zeit, um den zahlreichen Kreuzfahrtgästen, die als Tagesbesucher durch die sympathische Stadt streifen, seinen Nasenbär Sandy und diverse Reptilien vorzuführen. Ein Foto mit der Boa um den Hals? Bitte sehr, Abdullah möchte kein Geld, nur seine Liebe zu den Tieren mit den Besuchern teilen.
Fremdenführer Oscar Pollard kann die Motive des Lehrers gut nachvollziehen. »Die Touristen brauchen wirklich keine Angst zu haben, durch den Regenwald zu wandern. Dort begegnet man Boas und Klapperschlangen, Tapiren, Jaguaren und Pumas, Brüllaffen, Tucans und Papageien. Unsere Waldtiere sind scheu und fliehen vor Menschen, aber greifen sie niemals an. Nur wenn Urlauber meinen, in den Sümpfen baden zu müssen, dann sind sie in Gefahr, denn unsere Salzwasser-Krokodile sind riesig und aggressiv.«
Man muss freilich Glück haben, Tiere im Dschungel zu sehen - oder dem Glück durch einen Besuch im sehenswerten Zoo nachhelfen. Der Tierpark im Dörfchen La Democracia präsentiert ausschließlich Arten, die auch in den heimischen Wäldern leben.
Belize, das ehemalige Britisch-Honduras, ist weitgehend flach. Im Südwesten des Landes jedoch, wo die Berge beginnen, geht die Savanne in Regenwald über. Ein großartiges Abenteuer ist es, sich in Gummireifen die Flüsse entlang treiben zu lasssen, die teilweise sogar durch Höhlen fließen. Oder man fährt ins karibische Meer hinaus: Vor der Küste liegt das zweitgrößte Korallenriff der Welt. Neben tropischen Fischen findet man hier auch Walhaie, die sanften Riesen bieten einen faszinierenden Anblick. Kreuzfahrtschiffe wie die »Aida Aura«, die Belize regelmäßig alle 14 Tage im Winter anlaufen, müssen vorsichtig durch das Riff hindurch navigieren, ehe sie auf Reede vor der Stadt Anker werfen.
Doch nicht nur die naturwissenschaftliche Historie ist interessant, Belize kann auch mit Maya-Stätten aufwarten. Altun Ha ist die bekannteste archäologische Ausgrabungsstätte. 1400 Ruinen warten noch auf ihre wissenschaftliche Analyse. Archäologen gehen davon aus, dass zur Blütezeit der Maya-Kultur ein bis zwei Millionen Ureinwohner innerhalb der heutigen Grenzen von Belize lebten. Während der Klassik entfaltete die Maya-Zivilisation ihre größte Wirtschaftskraft und ihr höchstes kulturelles Niveau. In der Postklassik ist der rapide Niedergang bis nahezu zum Verschwinden zu verzeichnen.
Egal, ob man mit dem Schiff oder per Flugzeug via London oder Miami anreist: Alle Belize-Reisen beginnen in der größten Stadt des Landes, Belize City. Dort leben 90 000 von 280 000 Einwohnern des Kleinstaates, deren Vorfahren aus aller Welt kamen und dem Land eine bunte multikulturelle Atmosphäre verleihen. Rassenprobleme sind hier unbekannt, Premierminister Saeed Wilfried Musa ist ein Rechtsanwalt libanesischer Herkunft. Er ist ein strenger Vertreter von Recht und Gesetz: Kinder werden zu Höflichkeit und Respekt erzogen, und nicht wenige grüßen die Touristen freundlich mit »Good afternoon, Sir«, ohne dass sie auf Dollars spekulieren.
Belize kann mit einigen Kuriositäten aufwarten. Es gibt vier Ampeln, die keiner beachtet, weil der Verkehr auch ohne sie immer funktioniert hat.
Der Friedhof ist das einzige Gräberfeld der Welt, welches von einer Hauptverkehrsstraße geteilt wird - sogar auf einer Verkehrsinsel sind Menschen bestattet. Die Gräber sind nur einen Meter tief, haben aber einen ebenso hohen Aufbau, so dass der Verblichene korrekt »six feet under« ruht, wie es sich gehört. Ansonsten würde er nämlich schwimmen, weil Belize teilweise sogar unterhalb des Meeresspiegels liegt.
Desweiteren besitzt die Stadt die einzige handbetriebene Drehbrücke der Welt, die noch täglich benutzt wird.
Die älteste anglikanische Kathedrale in Zentralamerika, St. John's Cathedral, wurde 1812 aus Ziegelsteinen erbaut, die als Ballast mit europäischen Segelschiffen nach Belize kamen.
Viele Jahre lang wurde das Government House - heute ein Museum - als Verwaltungssitz genutzt. Das Leuchtturm-Monument am Fort George Point dominiert die Hafeneinfahrt. Es wurde mit Geld errichtet, das der größte Wohltäter von Belize gegeben hatte: Baron Bliss, der fünfte Baron von Portugal. Seinem Wunsch gemäß wurde er zu Füßen des Leuchtturms beigesetzt, den er selbst vor seinem Tod entworfen hatte.
Premierminister Musa sorgte dafür, dass Belize das einzige Land Zentralamerikas ist, in dem das Leitungswasser Trinkwasserqualität hat. Das Gesundheitssystem ist im Vergleich zu anderen Ländern der Region vorbildlich, nicht zuletzt, weil Belize auf eine Armee verzichtet und sich nur eine kleine Grenzpolizei leistet.
Das Krankenhaus der Stadt ist übrigens nach dem deutschen Arzt Karl Heusner benannt, der segensreich im ehemaligen Britisch-Honduras wirkte.
Die ersten Siedler in Belize waren freilich englische Puritaner. Sie installierten Handelsstationen entlang der belizianischen Küste. Verschiedene Gruppen schiffbrüchiger Seeleute, Freibeuter und Piraten gründeten feste Basen, von denen aus sie spanische Galeonen überfielen.
In Belize leben noch Menschen, die die einzige karibische Sprache beherrschen, deren Wurzeln in Afrika liegen und die nicht europäisch beeinflusst wurde. Die Garifuna-Kultur findet man nur in Belize, Honduras und Guatemala. Die Musik dieser Menschen, Paranda genannt, gewinnt wieder an Popularität. Waren es zuletzt wie der »Buena Vista Social Club« auf Kuba nur noch Senioren, die sie spielten, so finden sich heute auch wieder einige junge Leute, die mit Gitarre und Garifuna-Percussions-Instrumenten auftreten. Thomas Albertsen

Artikel vom 29.04.2006