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Risiko bei der Geburt vermindern

In 50 Jahren nur noch Kaiserschnitt-Entbindungen? - Juristische Probleme

Von Wolfgang Schäffer
Bielefeld (WB). Pressen oder schneiden? Wenn es um die Geburt geht, entscheidet sich inzwischen mindestens jede vierte Frau für den Kaiserschnitt.

Diese Entwicklung im Hinblick auf die Art der Entbindung hat die Gmünder Ersatzkasse (GEK) sogar veranlasst, eine »Kaiserschnittstudie« in Auftrag zu geben. In der Analyse geht es darum, ob hauptsächlich medizinische Gründe eine Rolle spielen oder ökonomische sowie kosmetische Ursachen die Gründe für die zu beobachtende Abkehr von der natürlichen Geburt sind. Die endgültigen Ergebnisse der Studie werden in der kommenden Woche veröffentlicht.
Doch schon im Vorfeld kristallisierte sich in Gesprächen dieser Zeitung mit Frauenärzten, Hebammen und anderen Fachleuten heraus, dass es eine Vielzahl von Erklärungen gibt. Vor allem die Verminderung des Risikos und die Angst vor den Schmerzen während der Entbindung werden von angehenden Müttern immer wieder als Argument für den Kaiserschnitt genannt. Der operative Eingriff sei konkret geplant, alle Fachärzte ständen parat und es gebe keinen Geburtsschmerz.
Für Kliniken sind solche Entbindungen organisatorisch leichter zu bewältigen als die herkömmliche Art, bei der die Wehen eben auch zu nächtlicher Stunde einsetzen können und ein Notfallteam auf jeden Fall zur Stelle sein muss, um im Ernstfall eingreifen zu können. Ärzte und Kliniken haben bei einem Kaiserschnitt zudem ein deutlich geringeres Risiko, in die »juristische Falle« zu tappen, wie es der Bielefelder Frauenarzt Michael Wojcinski nennt. In einer Arbeit zu diesem Thema hat der Chefarzt einer geburtshilflichen Klinikabteilung geschrieben: »In Haftpflichtprozessen werden Ärzte so gut wie nie gefragt, warum ein Kaiserschnitt erfolgte, sondern nur, warum nicht.« Den Geburtshelfern könne mit zunehmenden Ängsten vor Juristen und kaum noch zu bezahlenden Versicherungsbeiträgen für geburtshilfliche Tätigkeit der Wunsch der Eltern nach einer Schnittentbindung im Sinne einer »defensiven Medizin« entgegenkommen. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass Neugeborene immer größer und schwerer werden, kann sich der Mediziner sogar vorstellen, dass in etwa 50 Jahren Babys fast nur noch mit dem - allerdings im Vergleich zur herkömmlichen Geburt deutlich teureren - Kaiserschnitt auf die Welt kommen.
Eine Vorstellung, die für Edith Wolber schier unerträglich ist. Die Sprecherin des Deutschen Hebammenverbandes schätzt vor allem die Wunsch-Kaiserschnitte als problematisch ein. »Bei den Frauen können sich wie bei jeder anderen Operation auch Thrombosen bilden. Außerdem haben Studien ergeben, dass Kinder, die auf die Welt geholt würden, noch bevor der Körper der Mutter die Geburtshormone ausgestoßen habe, in ihrer späteren Entwicklung häufiger auffällig seien.
Die schlagzeilenträchtigen Kaiserschnitt-Geburten von prominenten Frauen wie Britney Spears oder Victoria Beckham bereiteten jedoch immer stärker den Weg für diese Art der Entbindung.

Artikel vom 22.04.2006