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Liebesromane
und Krimis in
der Gunst vorn

Ein Drittel der Deutschen liest oft

Von Nicola Prietze
und Wolfgang Harms
Hamburg/Mainz (dpa). Was liest man heute im Land der Dichter und Denker? Glaubt man den Bestseller-Listen, dann haben Goethe, Schiller & Co. so ziemlich ausgedient. Statt mehr oder weniger erbaulicher Klassiker tauchen dort vor allem Thriller und leicht konsumierbare Romane auf.
Frank Schätzing ist der »Schwarm« der Leser.
Dan Brown hat mit »Sakrileg« großen Erfolg.

Die Deutschen mögen's offenbar spannend und gut verdaulich, wenn sie zu Büchern greifen. Oder besser: Falls sie zu Büchern greifen, denn fast die Hälfte der Deutschen bezeichnet sich selbst als Kaum- oder Wenigleser.
Schätzing statt Shakespeare, Grisham statt Grass, Brown statt Böll: Der Deutschen Lesegeschmack bewegt sich nach Meinung von Marco Schneiders, Programmchef der Verlagsgruppe Lübbe in Bergisch Gladbach, »vor allem zwischen Thrillern und historischen Romanen«. Lübbe, wozu auch die Verlage Bastei-Lübbe, Ehrenwirth und blt gehören, veröffentlicht etwa die Erfolgsautoren Dan Brown, Ken Follett oder Rebecca Gablé, deren historische Romane wie »Das Lächeln der Fortuna« oder »Die Hüter der Rose« in Auflagen von mehreren hunderttausend Exemplaren auf den Markt kommen.
Als regelmäßige Bücherleser bezeichnen sich nach Studien der Mainzer Stiftung Lesen etwa 30 Prozent der Deutschen, weitere 30 Prozent schlagen immerhin gelegentlich ein Buch auf. Von dieser Gruppe interessiert sich etwa ein Drittel für moderne Literatur. Etwa genauso groß ist die Leserschaft klassischer Autoren.
Nach Ansicht des Leseforschers Bodo Franzmann mögen die Deutschen »vor allem Unterhaltungsliteratur verschiedener Art«. Dazu zählten Dauerbrenner wie Krimis und historische Romane, aber auch neue Trends wie die »Doku-Fiction«, die - wie etwa der Titel »Der Sturm« - eine fiktive Handlung in reales Hintergrundgeschehen einbetten. Erfolg haben auch skandinavische Krimis mit sozialkritischer Kulisse. Die Bücher von Henning Mankell verkaufen sich entsprechend gut.
Eine heimliche Leidenschaft hegen die Deutschen auch für Liebesroman-Hefte. Weil sie im Zeitschriften- und nicht im Buchhandel verkauft werden, sind Taschenbuch-ähnliche Hefte wie »Julia« oder »Bianca« auf keiner Bestseller-Liste zu finden - obwohl sie sich teils besser verkaufen als manches »richtige« Buch. Beim Marktführer, dem Hamburger Cora Verlag, erscheinen nach Angaben von Marketing- und Vertriebsleiterin Sousan Nazarian jedes Jahr 650 Titel mit einer verkauften Auflage von 15 Millionen Stück. Die besten Titel bringen es auf bis zu 80 000 verkaufte Exemplare.

Artikel vom 22.04.2006