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Musik in der Manege
Zirkus Roncalli in Paderborn: Die Kelly-Family hat Artistenblut in den Adern
Paderborn. Die berühmteste Großfamilie der Welt, die Kelly-Family, zog schon in einem Bus durch die Lande, lebte auf einem Hausboot und hat inzwischen ein Schloss bezogen. Und sie soll sich nun auch in der Manege zu Hause fühlen? Zumal in der des weltbekannten Zirkus Roncalli? Ja, und wie. Rund um den Himmelfahrtsfeiertag werden die Kellys und die Artisten des größten und auch erfolgreichsten Zirkus Europas in einer mitreißenden Show unter Beweis stellen, wieviel Spaß es macht, wenn Zirkus und Musik aufeinandertreffen. »Circus meets Music« heißt das inzwischen dritte gemeinsame Programm, das im Chapiteau auf dem Paderborner Maspernplatz erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wird.
Und die Veranstalter versprechen, dass die Vorstellungen all das übertreffen, was der Besucher sich gemeinhin unter so einer Überschrift vorstellt. Denn die Kellys spielen weder die Begleitmusik zu den spektakulären Auftritten der Jongleure, Clowns und Zauberer. Umgekehrt sind die hochkarätigen Artisten alles andere als Statisten eines Kelly-Konzertes. Im Gegenteil: Da geht alles gekonnt inszeniert ineinander über. Joey Kelly zum Beispiel, der sich nicht nur als Gitarrist, sondern auch als Extremsportler einen Namen gemacht hat, springt zwischendurch mit ins Todesrad, um im nächsten Augenblick schon wieder mit seinem Instrument durch die Manege zu stürmen. Und wer hätte vermutet, dass seine Schwester Maite solch ein Talent fürs Komische hat? An der Seite von Clown Andrej Jigalov - mit nichts Geringerem ausgezeichnet als dem »silbernen Clown von Monaco« - kann sie es wunderbar beweisen.
Ganz offensichtlich liegt den Kellys der Zirkus im Blut. In der Tat: Vater Dan (2002 verstorben) und Zirkusdirektor Bernhard Paul verband eine besondere Freundschaft, deren Wurzeln in die 70er Jahre zurückreichen. Damals waren die Kellys noch nicht berühmt, und Roncalli hatte, wie manch anderer Wanderzirkus auch, einen harten Kampf ums Überleben zu führen. Irgendwann musizierten die Kellys damals während der Roncalli-Aufführungen. Als Bernhard Paul das Bare ausging, um in Wien die Rechnung für den Strom zu begleichen, mit dessen Hilfe die Manege in gleißendes Licht hätte getaucht werden können, zog Vater Kelly mit seiner Familie kurzerhand in die Fußgängerzone und stellte den Hut auf. Die klingenden Münzen überreichte er am Abend Bernhard Paul - mit Kleingeld fing die Freundschaft an.
Die Verbindung blieb, doch die Wege führten auseinander. Die Kellys machten ihre Karriere, tauschten Straßen und Zelte mit Hallen und Fußballstadien. Bernhard Paul baute unterdessen seinen Zirkus zu einem der gefragtesten in Europa aus, verstand und versteht es bis heute, den Zirkus immer wieder neu zu erfinden, ohne sich untreu zu werden.
Vor knapp drei Jahren kreuzten sich die Wege von Roncalli und den Kellys erneut. »Phantasie verboten« hieß das erste gemeinsame Programm, das das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss. Und so wie Bernhard Paul den Zirkus in der Zwischenzeit weiterentwickelt hat, spürt man auch bei den Kellys, dass der ganz große Hype vorbei ist. Sie sind reifer, eigenständiger geworden. Ihre Hits, die erklingen, sind jazziger, funkiger arrangiert. Nicht zuletzt dank des exzellenten Studiomusikers Klaus Fischer, mit dem Angelo Kelly inzwischen gut und gerne zusammenarbeitet. Man hat inzwischen eben so seine Kontakte.
Schlagzeuger Angelo hat es jedoch bei weitem nicht nur musikalisch drauf. Er versteht es auch, anders auf die Pauke zu hauen. Wenn der Zirkus die Musik trifft, dann trommelt er gern einmal ein Solo auf dem Manegenrand. Wo sonst? Margit Brand

Artikel vom 28.04.2006