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Beuys + Bierlaune = Inspiration

Sportwissenschaftler münzen beim »Hermann« Theorie in Praxis um

Von Johnny Dähne
Bielefeld (WB). Gescher. Gladbeck. Landau. Ravensburg. Was wie eine möglichst breitgefächerte Aneinanderreihung deutscher Städte auf der Nord- Südachse anmutet, sind die Herkunftsorte von vier (Ex-) Sportstudenten, die am Sonntag den 35. Hermannslauf für die Fördergesellschaft Sportwissenschaft der Universität Bielefeld in Angriff nehmen.

»Das Ganze ist aus einer Bierlaune heraus entstanden«, erklärt Master-Student Andreas Diehl (26 Jahre, Landau) stellvertretend für seine Mitstreiter Johannes Sump (25, Gladbeck), Christian Heming (25, Gescher) und Christoph-Johannes Brandl (25, Ravensburg). Bei einer Geburtstagsfeier ihres Kommilitonen Max Beuys, Enkel des berühmten Künstlers Joseph Beuys, kam Ende 2005 die Inspiration zur Laufidee.
Ganz so lang wie die maximale Erstreckung ihrer Heimatstädte von Gescher nach Ravensburg von rund 654 Kilometern ist die des »Hermann« zwar nicht, dennoch präparierte sich das Quartett in den zurückliegenden Monaten gewissenhaft auf die 31,1 Kilometer vom Hermannsdenkmal in Detmold bis zur Bielefelder Sparrenburg. Als Sportstudenten mit dem theoretischen Wissen über aerob-glykolytische Abbauprozesse und dem Modell der Superkompensation zur optimalen Vorbereitung bestens vertraut, ließen sich die Trainingspläne nicht immer vollständig in die Tat umsetzen.
»In der ersten Aprilwoche bin ich 40 Kilometer gelaufen, in der vergangenen aus zeitlichen Gründen keinen Meter«, musste beispielsweise Johannes Sump einigen Klausuren mehr Tribut zollen, als ihm eigentlich lieb war. Für Sump und Andreas Diehl, die den »Hermann« zum ersten Mal bestreiten, gilt als Quereinsteiger ohnehin nur ein Motto - Kämpfen und Durchkommen. Während der Gladbecker Sump - im Ruhrpott nicht gerade unüblich - in der Jugend auf Bolzplätzen und bei Germania Gladbeck kickte, sprang Diehl im pfälzischen Landau weit. Sogar ziemlich weit. Mit 17 Jahren stand Diehl im Weitsprung- C-Kader des Deutschen Leichtathletik Verbandes (DLV). Erfahrungen, die er als Lehrender eines Leichtathletik-Praxiskurses der Sportabteilung weitergibt. »Die längste Strecke, die ich bisher gelaufen bin, waren 21 Kilometer. Sieben Mal um den Obersee«, grinst Schalke-Fan Sump und hofft genauso wie Diehl (»Meine Höchstleistung bisher waren zwei Stunden ununterbrochenes Laufen«) aufs Durchkommen.
Die beiden anderen Kollegen des Teams »Fördergesellschaft Sportwissenschaft der Universität Bielefeld« sind hingegen »alte Hasen« im Laufgeschäft. Christoph Brandl wird die gefürchteten Treppen von Lämershagen zum dritten Mal in Angriff nehmen, Christian Heming geht bereits zum vierten Mal an den Start. Die zwei Diplom-Sportlehrer haben im Gegensatz zur ihren Laufgefährten klare Ziele.
»Unter 2:20 Stunden sollte es schon sein«, erwartet Heming, der 2005 beim Köln-Marathon (2:58 Stunden) die magische Drei-Stunden-Grenze unterbot und damals als 124. von mehr als 16 000 gestarteten Läufern ins Ziel kam. Sogar in der ersten Start-Gruppe stand er schon mal. »Das war allerdings ein Versehen. Ich hatte mich zu meinem ersten Köln-Marathon 2003 mit der Zeit vom Hermannslauf von 2:30 Stunden angemeldet und dieses auch kenntlich gemacht. Kurz darauf wurde ich vom Veranstalter angerufen und gefragt, ob ich nicht gesponsert werden wolle«, so Heming, der aufgrund seiner angegebenen Bestzeit trotz aller Wahrheitsbekundungen in die erste Startgruppe neben den kenianischen Sieganwärtern eingeordnet wurde. »Viele meiner Bekannten haben darauf gewartet, dass ich beim Start vorne stehe und in die Fernsehkameras winke. Das habe ich mir dann aber verkniffen«, grinst das Nordlicht.
Christoph Brandl will in ähnliche Sphären vorstoßen. Der am südlichsten aus dem Läufer-Quartett beheimatete Ravensburger arbeitet nach seinem Studium in einer Klinik in Bad Hermannsborn als Sporttherapeut. »Nach Feierabend laufe ich meine Trainingskilometer. Mal schauen, wofür es reicht«, freut sich der 25-Jährige nicht nur auf den Lauf an sich.
Enden wird Brandls Besuch in Bielefeld wie für seine drei Mitstreiter exakt dort, wo die Idee ihren Ursprung hatte: Max Beuys lädt einen Tag nach dem Hermannslauf zu einem gemütlichen Grillabend ein. Neue (Lauf-) Inspirationen sind dabei nicht gänzlich auszuschließen.

Artikel vom 27.04.2006