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»Das machen, was interessant ist«

Seit 17 Jahren seit er »mit der wundervollen Bhavai« verheiratet, verrät Prof. Dr. Karsten Niehaus. Der Biologe, 1959 in Enger geboren, begann nach dem Abitur in Köln das Studium, das er in Bielefeld fortsetzte und 1986 »mit Auszeichnung« als Diplom-Biologe beendete. 1991 erfolgte die Promotion, 1999 die Habilitation in Zellbiologie und Genetik. Für Scheinfrei stellte sich Prof. Dr. Karsten Niehaus den Fragen von Laura-Lena Förster.

Was haben Sie vor zwei Jahrzehnten auf die Frage geantwortet: »Wo sehen Sie sich in 20 Jahren?«Prof. Dr. Karsten Niehaus: Die Frage hört sich nach einer sehr klaren Lebensplanung an. Mein Auto, mein iPOD... Es wäre sicher auch zu einfach zu sagen: »Der Weg ist das Ziel.« Ich hatte schon vor 20 Jahren ein Konzept: das machen, was interessant ist, was neue Perspektiven eröffnet.

Warum haben Sie sich für die Arbeit an der Universität entschieden? Prof. Dr. Karsten Niehaus: Ich kann hier optimal das machen, was mich interessiert. Fragen stellen zum Beispiel. Naturwissenschaft ist ein Prozess, der sich ständig erneuert, nicht stehen bleibt. Ich hatte vor Jahren selbst ein Angebot aus der Industrie, das ich nach langer Überlegung abgelehnt habe. Die Freiheit an der Universität ist da verführerisch.
Im Nachhinein betrachtet war die Entscheidung richtig; ohne eine permanente Position an der Universität hätte ich die Entscheidung vermutlich bereut. Vor einer ähnlichen Entscheidung stehen auch meine Absolventen. Eine Doktorarbeit beginnen, einige Jahre als PostDoc arbeiten? Oder lieber doch auf eine festere Position in der Wirtschaft setzen? Da würde ich mir sehr viel mehr Positionen für den Mittelbau an den Universitäten wünschen. Auch ein Gesetz - das Hochschulrahmengesetz -, das mich zwingt, einen guten Mitarbeiter nach sechs Jahren zu entlassen, obgleich die Mittel zu seiner Beschäftigung vorhanden sind, finde ich absurd.

Was machen Sie lieber: lehren oder forschen? Prof. Dr. Karsten Niehaus: Da kann ich mich schwer entscheiden. Lehre macht viel Spass, wenn sie interaktiv ist. Wenn viel gefragt und diskutiert wird. Meine Motivation, Biologie zu studieren, war die Forschung. Entspannend ist es, am Mikroskop oder Massenspektrometer zu sitzen; da kribbelt es nach wie vor.

Warum sollten junge Menschen studieren? Prof. Dr. Karsten Niehaus: Darauf gibt es zwei Antworten. Fast trivial, aber wichtig: Es gibt nach wie vor die besseren Möglichkeiten am Arbeitsmarkt. In einer zunehmend globalisierten Welt ist dies besonders wichtig. Der zweite Grund: Ein Studium öffnet auch geistige Türen. Es gibt die Möglichkeit, sehr viel zu erfahren und dies in eigene Gesaltungsmöglichkeiten umzusetzen.

Wenn Sie noch einmal Student wären, für welches Fach würden Sie sich entscheiden? Prof. Dr. Karsten Niehaus: Wenn ich noch einmal neu vor der Wahl stände, wäre es sicher wieder die Biologie. Sollte ich ein Zweitstudium beginnen, wäre es Kunstgeschichte.

Welches Buch halten Sie im Studium für unverzichtbar?Prof. Dr. Karsten Niehaus: Der Trend geht zum Zweitbuch. Im Ernst: Es ist unmöglich, nur ein Buch zu nennen. Von allgemeinen Interesse sind aber: Frederic Fester, »Die Kunst vernetzt zu denken«; HR Maturana und FJ Valera, »Der Baum der Erkenntnis«; Alberts »Molecular Biology of the Cell«; alle Bücher von Hans-Magnus Enzensberger.

Was gefällt Ihnen an der Universität Bielefeld besonders gut?Prof. Dr. Karsten Niehaus: Das ist das interdisziplinäre Arbeiten. Die Zusammenarbeit mit Chemikern, Physikern, Informatikern ist der Alltag. Es gibt aber auch ein gemeinsames Seminar mit der Fakultät für Kunst und Musik.

Mit welchem Verkehrsmittel kommen Sie zur Uni?Prof. Dr. Karsten Niehaus: In der Regel bringt mich meine Frau mit dem Auto zur Universität, so können wir noch einen zweiten Kaffe miteinander trinken. Manchmal fahre ich auch mit dem Bus.

Was ist Ihr Lieblingsgericht in der Mensa?Prof. Dr. Karsten Niehaus: Die Salatbar. Und dies nicht nur, weil ich Vegetarier bin. Ich mag die Vielfalt.

Welche deutsche Universität verdient Ihrer Ansicht nach den Titel »Elite-Uni«? Prof. Dr. Karsten Niehaus: Es wurden ja gerade Kandidaten für diesen Titel ausgewählt. Ich denke, dass keine Universität als Ganzes in allen Bereichen Elite sein kann. Mir gefällt die Idee einer virtuellen Elite-Uni sehr viel besser. Das wären in meiner Vorstellung Netzwerke aus exzellenten Einzelgruppen und Kompetenzknoten sowie Resourcen-Zentren, die an verschiedenen Universitäten und Instituten in Deutschland lokalisiert wären.

Was erhoffen Sie sich für Ihren Fachbereich von Studiengebühren? Prof. Dr. Karsten Niehaus: Die Ausstattung der Praktika ist in den experimentellen Fächern sehr wichtig. Hier könnten zusätzliche Mittel sicher zu einer besseren Ausbildung beitragen.

Wann war Ihre letzte Studentenparty? Prof. Dr. Karsten Niehaus: Zu den Westend-Partys gehe ich nicht mehr. Das ist mir zu groß, und als Jazz-Hörer ist es problematisch. Meine Arbeitsgruppe macht aber jede Woche Party - und da komme ich gerne.

Inwieweit erfahren Sie seitens Ihrer Familie Unterstützung für Ihren Beruf? Prof. Dr. Karsten Niehaus: Meine Frau hat in Mikrobiologie promoviert und kennt daher das Leid eines Wissenschaftlers. Bakterien wachsen auch am Wochenende und wollen versorgt sein, Tagungen finden in den schönsten Schulferien statt, und der Arbeitstag kann manchmal lang werden...

Artikel vom 03.05.2006