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Pädagogisch wertvoller
Einsatz der Motorsäge

Projekttag von Polizei und dem Rolf-Wagner-Haus

Von Stefanie Westing
(Text und Fotos)
Senne (WB). Das Brummen der Motorsäge ist schon von weitem zu hören. Das Bild, das sich dem Beobachter am Fingerhutweg bietet, ist nicht alltäglich. Denn die »Waldarbeiter«, die fällen, sägen und die Axt schwingen, sind Polizeibeamte, Pädagogen und Jugendliche aus dem Rolf-Wagner-Haus.

Getreu dem Motto »Gemeinsamkeit schafft Vertrauen« waren die acht »Holzfäller« am Freitag im Senner Ortsteil Windflöte mit Trecker, Säge und Seilwinde im Einsatz, um Brennholz zum Verkauf herzustellen. Die Arbeit im Holz ist - besonders in den Wintermonaten - fester Bestandteil der Arbeitspädagogik des Rolf-Wagner-Hauses. In der Erziehungshilfe-Einrichtung der Stadt Bielefeld werden bis zu 16 männliche Jugendliche im Alter von 13 bis 19 Jahren betreut, die in irgendeiner Form Probleme haben, zum Beispiel im Elternhaus oder in der Schule, zum Teil bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. An das Rolf-Wagner-Haus wenden sie sich selbstständig oder sie werden von der Polizei, dem Jugendamt oder anderen Einrichtungen dorthin verwiesen. In der Einrichtung am Senner Hellweg lernen sie pünktliches Aufstehen, ein angemessenes Sozialverhalten und werden Schritt für Schritt darauf vorbereitet, wieder (regelmäßig) die Schule zu besuchen oder später eine Ausbildung zu machen. »Zuerst arbeiten die Jugendlichen auf dem Hof«, erklärt Maren Wilke, stellvertretende Heimleiterin. Fünf Tage die Woche, jeweils acht Stunden lang, versorgen sie die Pferde, Kühe, Schweine, Schafe und Hühner, wozu auch das Füttern der Tiere und das Ausmisten der Ställe gehört, oder sie sind in der Landwirtschaft im Einsatz, pflügen Felder oder arbeiten - wie am Freitag - im Holz. Unter Anleitung von Benedikt Teckentrup und Hans-Werner Beißner, beide Agraringenieure, lernen die Jugendlichen, wie ein Baum gefällt, ein Trecker gesteuert oder die Motorsäge eingesetzt wird. Am Freitag konnten drei Bewohner des Rolf-Wagner-Hauses, Kastrioti, Lars (beide 14) und Marco (16), ihr Wissen an Wilhelm Korte, Martin Steppler und Klaus Rieger vom Kriminalkommissariats Süd weitergeben. »Für die Jugendlichen ist es eine Besonderheit, wenn sie den Polizisten erklären können, wie alles funktioniert«, schildert Maren Wilke den pädagogischen Wert. Außerdem schafft die gemeinsame Arbeit in der Tat Vertrauen. Wilke: »Die Jugendlichen sehen, dass man hier nur zusammen erfolgreich sein kann. Sie werden gebraucht.«
Die Polizisten kennen die Jugendlichen eigentlich - wenn überhaupt - aus ganz anderen Zusammenhängen. »Wenn die Bewohner das nächste Mal Probleme haben, ist es für sie vielleicht einfacher, sich an die Polizei zu wenden«, meint die Sozialpädagogin. Die Idee zum gemeinsamen Projekttag kam übrigens von einem der Jugendlichen. Auch, wenn die Aktiven - vor allem vermutlich die Polizeibeamten - im Anschluss der Muskelkater plagt - eine Wiederholung des Projektes ist sicher nicht ausgeschlossen.

Artikel vom 22.04.2006