04.05.2006
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Sirius Recruitment hatte seine Büros in einem ehrwürdigen grauen Gebäude mit getönten Glastüren, in denen ich noch einmal kurz mein Aussehen überprüfte. Ich muss vorausschicken, dass meine Garderobe für den Anlass nicht optimal war. Das Dinnerjacket war etwas stockfleckig, die Weste ein Hauch zu grell. Da meine übrigen Anzüge jedoch unter den Gästen des Coachman verteilt worden waren, hatte ich keine andere Wahl. Insgeheim hielt ich mein Äußeres für recht verwegen, Die-Mumie-erobert-Manhattan-mäßig, auch wenn Frank gemeint hatte, ich sehe aus wie Frankensteins Butler, und Droyd nur ein Wort gesagt hatte - Schwuchtel. Schon bald würden sie erkennen, dass der Mangel an Eleganz durch Power-Spirit mehr als wettgemacht wurde.
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»Hallo«, sagte die Stimme.
Ich drehte mich um. Hinter einem Schreibtisch saß eine wunderschöne Empfangsdame. »Ha-hallo«, stammelte ich. Sie war eine exquisite, elfenhafte Erscheinung mit lohfarbenem Teint, und ihr winziges goldenes Headset war von ausnehmender Eleganz.
»Sie sehen aus, als hätten Sie sich verirrt«, sagte sie neckisch.
»Nein, nein«, sagte ich und hielt inne. Zum ersten Mal seit der Explosion meines Turms wurde mir klar, dass ich in der Tat umherirrte. »Das heißt, ja«, sagte ich. »Ich meine, ich suche Arbeit.«
»Dann sind Sie hier genau richtig«, sagte sie lachend. »Füllen Sie dieses Formular auf, Gemma hat dann gleich Zeit für Sie. Gemma ist unser Boss. Aber keine Angst, sie ist ein Goldstück.«
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»Charles?«
Blitzartig wachte ich auf. Am Ende des geschwungenen Schreibtischs stand eine Frau - eine groß gewachsene, königliche Frau mit feinen Krähenfüßen. »Gemma!« Ich sprang auf, um ihr die Hand zu schütteln.
»Kommen Sie, mein Schreibtisch steht dahinten«, sagte sie lachend.
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»Als Erstes, Charles«, sagte sie und deutete auf einen Stuhl, »möchte ich mich für Ihren Besuch bedanken.«
»Das ist schon okay«, sagte ich. Die Stellwände um ihren Schreibtisch waren ebenfalls mit Fotos bepflastert: die Sirius-Bande beim Rodeo, auf dem Empire State Building, bei einer Aufführung von Cats.
»Bevor wir über Sie reden«, sagte Gemma, »möchte ich Ihnen ein bisschen über unsere Agentur erzählen und kann Sie hoffentlich davon überzeugen, dass es die richtige Entscheidung von Ihnen war, hierher zu kommen.« Meine Verbände schienen sie nicht im Mindesten zu stören. Es war, als wäre sie fähig, einfach durch sie hindurchzuschauen und nur den Mann darunter wahrzunehmen. »Warum Sirius? Nun, wie Sie wissen, erlebt Irland derzeit ein in der Geschichte des Landes nie dagewesenes Wachstum. Tatsächlich beneidet uns ganz Europa um unsere Wirtschaft.«
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»Ich?«, sagte ich.
»Ja«, sagte sie nickend. »Sie und andere junge Hochschulabsolventen. Es ist Irlands Potenzial an bestens ausgebildeten und extrem motivierten jungen Arbeitskräften, das uns für investitionswillige Unternehmen aus dem Ausland so attraktiv macht. Die Revolution auf dem Gebiet der Informationstechnologie ermöglicht Dinge, die uns noch vor wenigen Jahren wie Science-Fiction vorgekommen wären. Und wir in Irland haben es geschafft, uns an die Spitze dieser bahnbrechenden Technologie zu setzen. Darf ich Ihnen einen Mokkachino anbieten, Charles?«
»Ja, bitte, Gemma.«
»Wir bei Sirius wissen genau«, fuhr sie fort, während sie zu dem glänzenden Chromapparat in der Ecke ging, »dass unsere Angestellten - wir nennen sie Partner - zu den besten der Welt gehören. Und deshalb waren Bryan und ichÉ« - sie zeigte auf eins der Fotos, das vor dem ehrwürdigen grauen Gebäude aufgenommen worden war: Bryan mit Gemma im Arm auf der Motorhaube eines goldenen Saab - »Éals wir Mitte der Neunziger dieses Unternehmen gegründet haben, von Anfang an entschlossen, dass wir keiner von diesen spießigen Läden sein wollten, die ihre Zeitarbeiter für einen Tag nach Timbuktu schicken, damit sie da Briefumschläge lecken.« Gekonnt hantierte sie mit Hebeln und Knöpfen und schäumte mit heißen Wasserdampf die Milch auf. »Wir betrachten unsere Partner nicht als Roboter, die man in der Gegend herumscheucht, sondern als kreative, begabte Individuen.« Sie reichte mir eine Tasse und nahm mir gegenüber Platz. »Wir haben alle Arten von Kunden. Sirius-Partner entwerfen eine Website für ein irisches Start-up-Unternehmen oder arbeiten an E-Business-Lösungen für die irische Niederlassung eines multinationalen Konzerns. Sie entwickeln einen 3D-Simulator für eine Ölbohrfirma oder schneidern passgenaue Software für eine Topagentur aus dem Bereich Arbeitsvermittlung.«
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Wir lachten wieder. »Aber jetzt mal ernsthaft«, sagte sie und rutschte etwas auf ihrem Stuhl vor. »Was ich sagen will, ist Folgendes É Ohne Sie gibt es keine Agentur namens Sirius Recruitment. Obwohl ich der Chef dieses Unternehmens bin, sage ich doch immer wieder: Ich arbeite für Sie.« Gemma nippte an ihrem Mokkachino und leckte sich den Schaum von den Lippen. Ich stellte mir vor, dass ich eine Affäre mit Gemma hatte und Bryan hemmungslos weinend in seinem Saab kauerte.
Artikel vom 04.05.2006