03.05.2006
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»Die Sache mit Droyd ist die, dass er eigentlich gar keine Wohnung hat. Besser, er bleibt ein paar Tage hier, bis er wieder einigermaßen normal drauf ist. Ich meine, will ja keiner, dass er gleich wieder zu diesem Cousin Benny läuft, oder?«
»Nein«, sagte ich. »Idealerweise nicht.«
»Außerdem É ist doch massig Platz für drei. Und ein bisschen Musik ist doch schön, bringt Stimmung in die Bude, oder?«
Ich wollte gerade eine sarkastische Bemerkung machen, als ich bemerkte, dass die Musik ein Stück vom Putz gelöst hatte, sodass ich mich schnell in mein Zimmer zurückzog und so tief ich konnte in mein fadenscheiniges Federbett verkroch.
In gewisser Hinsicht bin ich Droyd sogar zu Dank verpflichtet. Wäre ich mir selbst überlassen gewesen, hätte ich möglicherweise auf ewig in meinem Post-Amaurot-Dämmerzustand verharrt. Dank ihm wurde die Situation fast sofort unhaltbar.
S
Ich fand mehrere Anzeigen, in denen Wohnungen zur Miete angeboten wurden. Ein halbes Dutzend kreuzte ich an und notierte mir die Besichtigungstermine. Sie waren alle ziemlich teuer, wie Droyd anmerkte, als er sah, was ich da tat.
»Heilige Scheiße!«, rief er aus, als er mir über die Schulter schaute. »Wo willst du so viel Kohle hernehmen?«
»Das ist meine Sache«, sagte ich barsch und zog die Zeitung weg.
»Wenn man heutzutage in dieser Stadt leben will, muss man Millionär sein«, merkte er tiefsinnig an.
»Ja, ja«, brummte ich. Aber genau da lag der Hase im Pfeffer. Ich brauchte mir die Kreditkartenabrechnung, die Mutter mir freundlicherweise nachgeschickt hatte, erst gar nicht anzuschauen, um zu wissen, dass meine Zeiten als Millionär lange vorbei waren. Aber so konnte ich einfach nicht weiterleben. Es sah ganz so aus, als bliebe mir nichts anderes übrig, als mir noch mehr Geld von Frank zu pumpen. Allerdings sagte er mir, als ich ihn an diesem Abend auf ein Wort beseite nahm, dass er so viel Geld nicht habe.
»Was soll das heißen?«, sagte ich. »Ich hab gedacht, das Geschäft brummt.«
»So nun auch wieder nicht«, sagte er. »Ich muss Miete zahlenÉ Und für euch Essen und Trinken undÉ«
»Schon gut, schon gut«, blaffte ich. Freute es ihn etwa, mich so am Boden zu sehen? War es das? Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Stirn.
»Warum arbeitest du nicht was, Charlie? Kumpel von mir hat eine Lagerhalle. Wenn du willst, ruf ich ihn an. Netter Bursche, und die Bezahlung istÉ«
»Ja klar, sicher, Arbeit«, sprudelte es aus mir heraus. »Warum nicht einfach eine Arbeit annehmen und meine Seele an den Meistbietenden verhökern, dann ist jeder zufrieden. Wenn du mich fragst, wirft es ein verdammt armseliges Licht auf unsere so genannte Gesellschaft, dass ein Mann heutzutage nur überleben kann, wenn er seine Ideale, seine Träume, seine ganze Identität opfern mussÉ«
»Genau«, pflichtete Frank mir bei. »Genau so ist es. Wie mein alter Herr immer gesagt hat: Umsonst ist der Tod.«
»Moment!« Plötzlich sprang mir eine Anzeige in der Zeitung ins Auge. »Hier!« Ich faltete die Seite zusammen und hielt sie ihm hin. »Bringt Ihr Job Sie ins Grab? Warten Sie noch immer auf Ihr Stück vom Kuchen?«
»Wo?«
»Da! Das Foto mit dem Friedhof und der Torte.«
»Ah ja, habÕs.«
»ÝSind Sie es leid, dass Ihre Freunde Karriere machen und Sie immer noch im alten Trott stecken? Dublin boomt, jeder kann dabei sein! Wenn Sie Ihr Stück vom Kuchen wollen É sirius recruitment, Irlands Premiumspezialist für IT, Multimedia und E-Business-Lösungen. Kontaktieren Sie uns jetzt! Warum noch mehr Zeit verschwenden? Rufen Sie uns an! Die Party steigt jetzt!Ü« Mit leicht geschwellter Brust nahm ich die Zeitung herunter. »Na, alter Junge, das wärÕs dann wohl. Da hast du deine Antwort. Grüß mir die Lieben vom Broadway, wenn du sie triffst.«
»Tja, aber das ist doch alles so Computerkram, Charlie, oder nicht?«
»Was?«
»Na ja, IT und Multimedia und so was.«
»Na und, wenn schon. Ich bin doch kein Schwachkopf, oder? Ich war auf dem College, multimediasieren und so, das lerne ich einfach. Außerdem ist das doch bloß Anzeigenjargon. Das heißt nichts weiter, als das: Die Leute wollen mit diesem Power-Spirit, mit Unternehmergeist, so einen wie mich. Ich geh da auf jeden Fall mal hin.«
»Genau, und wennÕs nicht hinhaut, kann ich ja immer noch meinen Kumpel anrufenÉ«
»Ja, ja, danke, glaubst du etwa, ich will in so einem dunklen Grab von Lagerhalle sitzen, während all meine Freunde Karriere machen und Bel in ihren bunten Theatersphären rumschwebt?« Ich nahm mir ein Dosenbier aus dem Kühlschrank. »Ich muss endlich an mich selbst denken. Ich kann nicht die besten Jahre meines Lebens auf anderer Leute Fußboden schlafen.«
»Jawoll, du brauchst deine eigene Wohnung«, pflichtete Frank mir bei.
»Nur zu gern würde ich zurückkehren in meine alte WohnungÉ in mein Haus.« Emphatisch knallte ich die Dose auf den Tisch. »In einer idealen Welt wäre dies selbstredend keine Frage. Aber Bel wollte ja dieses groteske Theater. Niemand kann von mir verlangen, dass ich aufhöre, mein eigenes Leben zu leben, dass ich abwarte, bis dieser Theaterunfug den Bach runtergeht. Ich muss das Haus hinter mir lassen und mein eigenes Stück vom Kuchen einfordern. Ich bin jetzt ein Mann, der auf eigenen Beinen steht. Grüß mir die Lieben vom Broadway.«
»Hast du schon mal gesagt, Charlie.«
»Und das mein ich auch.«
Acht
F
D
Artikel vom 03.05.2006